20.04.2013 Aufrufe

Gewalt, Rassismus und Zivilcourage unter Kindern und Jugendlichen

Gewalt, Rassismus und Zivilcourage unter Kindern und Jugendlichen

Gewalt, Rassismus und Zivilcourage unter Kindern und Jugendlichen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

20 49/2002 epd-Dokumentation<br />

<strong>und</strong> die Gruppe der hochgradig gewalttätigen,<br />

rechtsextrem eingestellten <strong>Jugendlichen</strong> lediglich<br />

2-3 Prozent betrage. Antisemitische Vorurteile<br />

(bei nur 0,02 Prozent jüdischer Bürger in Brandenburg)<br />

seien dagegen unverändert bei 30 Prozent<br />

der <strong>Jugendlichen</strong> vorhanden, dennoch sei es<br />

als Erfolg der politischen Bildung zu werten, dass<br />

sich gegenüber 1996 deutlich mehr Jugendliche<br />

zur historischen Schuld <strong>und</strong> Verantwortung der<br />

Deutschen gegenüber den Juden bekennen. Auch<br />

sei der Anteil derjenigen deutlich gesunken, die<br />

ein Ende der Debatten über die NS-Vergangenheit<br />

forderten.<br />

Schlagartig konzentrierte sich ab<br />

dem September 2001 das öffentliche<br />

Interesse auf den internationalen Terrorismus,<br />

die Folgen der Terroranschläge in den<br />

USA, den Krieg in Afghanistan <strong>und</strong> die<br />

Nahostkrise. Als Folgeerscheinungen manifestiert<br />

sich gesamtgesellschaftlich Fremdenfeindlichkeit<br />

eher noch offener, einhergehend<br />

mit der erschreckenden Bereitschaft,<br />

<strong>unter</strong> dem Druck tagespolitischer<br />

Sicherheitsängste Gr<strong>und</strong>werte der liberalen<br />

Zivilgesellschaft in Frage zu stellen. Das<br />

Thema Rechtsextremismus ist derzeit nicht<br />

aktuell.<br />

Weit weniger wahrgenommen wurde das alarmierende<br />

Ergebnis der Studie, dass ausländerfeindliche<br />

Einstellungen zwischen 1996 <strong>und</strong> 1999<br />

deutlich zugenommen haben. 52 Prozent der<br />

brandenburgischen <strong>Jugendlichen</strong> vertraten die<br />

Meinung, es lebten zu viele Ausländer im Land<br />

Brandenburg, obwohl der Anteil der Ausländer in<br />

Brandenburg lediglich 2,3 Prozent beträgt. Die<br />

wenigen ausländischen Bürger Brandenburgs<br />

leben vor allem in städtischen Regionen <strong>und</strong> der<br />

nahen Umgebung Berlins. In weiten Landstrichen<br />

sind überhaupt keine Ausländer anzutreffen, es<br />

sei denn als Asylbewerber in abgelegenen Sammel<strong>unter</strong>künften<br />

wie ,Verlorenwasser‘- Nomen<br />

est Omen - im Wald einige Kilometer außerhalb<br />

der Kreisstadt Belzig. Angesichts dieser Ergebnisse<br />

stellt sich ernsthaft die Frage, ob der Rückgriff<br />

auf das historische Beispiel des Nationalsozialismus<br />

<strong>und</strong> vor allem die geforderte intensivere<br />

Auseinandersetzung mit dem Holocaust für den<br />

Abbau heutiger Ausländerfeindlichkeit sinnvoll<br />

<strong>und</strong> wirkungsvoll ist.<br />

Stellenwert <strong>und</strong> Umgang mit der NS-Geschichte<br />

nach 1945<br />

Die spezifisch deutsche Problematik des politischen<br />

Umgangs mit der nationalsozialistischen<br />

Vergangenheit bis Ende der achtziger Jahre<br />

braucht hier nicht in ihren Phasen im Detail<br />

nachgezeichnet zu werden, da sie als bekannt<br />

vorausgesetzt werden kann.<br />

Die öffentliche Auseinandersetzung, insbesondere<br />

mit dem Völkermord an den Juden schwankte<br />

ambivalent zwischen Abwehr <strong>und</strong> Beschweigen<br />

auf der einen Seite, Anklage <strong>und</strong> Schuldbekenntnis<br />

auf der anderen. In der alten B<strong>und</strong>esrepublik<br />

wies die Politik schon seit 1950 durch die ständige<br />

Konferenz der Kultusminister der Länder<br />

(KMK) vor allem den Schulen die Aufgabe zu,<br />

aufzuklären <strong>und</strong> Lehren aus der deutschen Geschichte<br />

zu vermitteln. Die Umkehr Nachkriegsdeutschlands<br />

zur Demokratie sollte sich an der<br />

politischen Praxis der Bonner Republik erweisen.<br />

Die DDR erklärte den Antifaschismus zur Gr<strong>und</strong>lage<br />

ihres politischen Selbstverständnisses <strong>und</strong><br />

leitete den Erziehungsauftrag für die Rahmenplane<br />

der Schulen sowie für die staatliche Jugendpolitik<br />

daraus ab. Im Zentrum der Auseinandersetzung<br />

stand der antifaschistische politische Widerstand.<br />

Erst gegen Ende der achtziger Jahre fand<br />

der Völkermord an den europäischen Juden in<br />

der DDR stärkere Berücksichtigung, auch wenn<br />

die Begriffe Holocaust <strong>und</strong> Shoah noch ungebräuchlich<br />

waren <strong>und</strong> zwischen rassistischer <strong>und</strong><br />

politischer Verfolgung nicht exakt <strong>unter</strong>schieden<br />

wurde. Faschismus <strong>und</strong> Zweiter Weltkrieg spielten<br />

auch im DDR-Geschichts<strong>unter</strong>richt <strong>und</strong> der<br />

politischen Bildung allgemein eine zentrale Rolle.<br />

Direkt nach der Vereinigung wurden in einer groß<br />

angelegten empirischen Studie Geschichtsbewusstsein<br />

<strong>und</strong> politische Orientierung Jugendlicher<br />

bezogen auf den Nationalsozialismus im Ost-<br />

West-Vergleich <strong>unter</strong>sucht. Sie ergab wider Erwarten<br />

keine signifikanten Wissens<strong>unter</strong>schiede<br />

auf Gr<strong>und</strong> vermuteter marxistischer Indoktrination<br />

<strong>und</strong> Instrumentalisierung des Antifaschismus.<br />

Vor allem, so das Ergebnis, ließ sich die Anfälligkeit<br />

ostdeutscher Jugendlicher für Neonazismus<br />

nicht aus mangelndem Faktenwissen über den<br />

Nationalsozialismus ableiten.<br />

In den Lehrplänen aller B<strong>und</strong>esländern ist Unterricht<br />

über den Nationalsozialismus <strong>und</strong> schwerpunktmäßig<br />

die Verfolgung <strong>und</strong> Ermordung der<br />

Juden verbindlich für den Geschichts- <strong>und</strong> Politik<strong>unter</strong>richt<br />

vorgeschrieben. Die Intensität <strong>und</strong><br />

Komplexität der Bearbeitung im Unterricht hat

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!