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Gewalt, Rassismus und Zivilcourage unter Kindern und Jugendlichen

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über die Jahre ständig zugenommen. In den<br />

Lehrplänen werden diesem Thema im Vergleich<br />

zu anderen Themen deutlich die meisten Unterrichtsst<strong>und</strong>en<br />

zugewiesen.<br />

Auch die Schulbücher behandeln die Kapitel Nationalsozialismus<br />

<strong>und</strong> Holocaust ausführlicher<br />

<strong>und</strong> differenzierter, als man die Themen im Zeitrahmen<br />

des Fach<strong>unter</strong>richts behandeln kann.<br />

Ungeachtet dessen wurden in den vergangenen<br />

Jahren immer wieder Ergebnisse empirischer<br />

Untersuchungen zum Stand des Wissens heutiger<br />

Schüler über Auschwitz <strong>und</strong> den Holocaust verbreitet,<br />

die oft vorschnell verallgemeinernd <strong>und</strong><br />

sensationsheischend katastrophale Wissensdefizite<br />

diagnostizierten <strong>und</strong> die Zunahme von<br />

Rechtsextremismus bei <strong>Jugendlichen</strong> daraus ableiteten.<br />

Mit gleicher Regelmäßigkeit werden die<br />

Schulen <strong>und</strong> Lehrer dafür verantwortlich gemacht.<br />

Klagen, dass Schüler zu wenig lernen <strong>und</strong><br />

wissen, sind uralt. Effizienz vom Unterricht empirisch<br />

zu <strong>unter</strong>suchen ist kompliziert, äußerst<br />

aufwendig <strong>und</strong> wird daher wenig betrieben.<br />

Theodor W. Adornos Postulat einer Erziehung<br />

nach Auschwitz aus den frühen sechziger Jahren,<br />

hat seine Wirkung als kategorischer Imperativ<br />

für die historisch-politische Bildung bei uns bis<br />

heute nicht eingebüßt, ist jedoch aus heutiger<br />

Sicht ergänzungsbedürftig. Wichtigstes Ziel von<br />

Erziehung sollte sein zu verhindern, »dass die<br />

Möglichkeit der Wiederholung, was den Bewusstseins-<br />

<strong>und</strong> Unterbewusstseinsstand der Menschen<br />

anbelangt, fortbesteht«, d.h. nach Adorno primär<br />

Erziehung zur Mündigkeit, zur Entwicklung von<br />

Kritikfähigkeit, Ich-Stärke <strong>und</strong> Verantwortungsbewusstsein.<br />

Erziehung nach Auschwitz <strong>unter</strong>scheidet<br />

sich demnach gr<strong>und</strong>legend von »Holocaust-Education«-Programmen<br />

aus den USA <strong>und</strong><br />

Israel, die vordringlich auf moralische Erziehung,<br />

Abbau von Vorurteilen <strong>und</strong> Empathie mit den<br />

Opfern ausgerichtet sind.<br />

Die Frage ist jedoch nicht, ob <strong>und</strong> noch weniger,<br />

wie viel darüber <strong>unter</strong>richtet wird, sondern vielmehr<br />

was <strong>und</strong> vor allem wie, d.h. mit welchen<br />

Methoden gelernt wird. Nicht nur der zeitliche<br />

Umfang, der diesem mit Lernzielen, Ansprüchen<br />

<strong>und</strong> Erwartungen überfrachteten Fach Geschichte<br />

eingeräumt wird, ist unbefriedigend.<br />

Wenn dem Fach Geschichte die Bedeutung als<br />

Querschnittsfach zur Gr<strong>und</strong>lage von Allgemeinbildung,<br />

kollektiver Identitätsstiftung sowie Persönlichkeitsbildung,<br />

demokratischen Bewusstseins<br />

<strong>und</strong> Weltoffenheit beigemessen wird, dann<br />

ist nicht nachvollziehbar, dass dafür nur zwei-<br />

epd-Dokumentation 49/2002 21<br />

oder gar einstündiger wöchentlicher Unterricht<br />

für Kinder zwischen zwölf <strong>und</strong> sechzehn Jahren<br />

vorgesehen ist. Nachhaltige Wirkungen können<br />

dadurch nicht erreicht werden.<br />

An schulischen <strong>und</strong> außerschulischen<br />

Einflüssen <strong>und</strong><br />

Informationsmöglichkeiten mangelt es<br />

nicht. ( ... ) Vielfach wird im missionarischen<br />

Eifer nicht bedacht, dass Jugendliche<br />

sich durch die Häufung von Schilderungen<br />

<strong>und</strong> Bildern des Grauens emotional überwältigt<br />

fühlen <strong>und</strong> mit Abwehr reagieren.<br />

Auch die theoretische <strong>und</strong> <strong>unter</strong>richtspraktische<br />

Aus- <strong>und</strong> Weiterbildung der Lehrer ist in Betracht<br />

zu ziehen. Diese ist in der Tat reform- <strong>und</strong> verbesserungsbedürftig.<br />

Denen, die allzu rasch die<br />

Schule <strong>und</strong> die Lehrer kritisieren, sei aber auch<br />

gesagt, dass Lehrerfortbildung in allen B<strong>und</strong>esländern<br />

deutlich abgebaut wird <strong>und</strong> jahrelang<br />

junge Lehramtsanwärter mit einer aktuelleren<br />

Ausbildung nicht ausreichend eingestellt wurden.<br />

Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus<br />

insgesamt ist heute differenzierter <strong>und</strong><br />

intensiver als jemals zuvor. Die Schule ist außerdem<br />

längst nicht die erste <strong>und</strong> oft nicht einmal<br />

mehr die wichtigste Instanz für die Vermittlung<br />

von Kenntnissen, vor allem jedoch von Einstellungen<br />

<strong>und</strong> Meinungen über dieses Kapitel der<br />

deutschen Geschichte. Geschichts<strong>unter</strong>richt hat<br />

weniger Einfluss auf Geschichtsdenken der Kinder<br />

als Lehrer <strong>und</strong> Erwachsene gemeinhin annehmen.<br />

Öffentliche Debatten in Politik, Fernsehen<br />

<strong>und</strong> Presse, Ausstellungen in Museen <strong>und</strong><br />

Gedenkstätten fordern zur Auseinandersetzung<br />

auch im Familien- <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>eskreis heraus.<br />

An schulischen <strong>und</strong> außerschulischen Einflüssen<br />

<strong>und</strong> Informationsmöglichkeiten mangelt es nicht.<br />

Schüler beklagen eher, zu oft, zu gleichförmig mit<br />

diesem Thema konfrontiert zu werden, dazu oft<br />

mit einem moralischen Rigorismus, der ihnen<br />

keine eigenständige Auseinandersetzung <strong>und</strong><br />

Urteilsbildung erlaube. Vielfach wird im missionarischen<br />

Eifer nicht bedacht, dass Jugendliche<br />

sich durch die Häufung von Schilderungen <strong>und</strong><br />

Bildern des Grauens emotional überwältigt fühlen<br />

<strong>und</strong> mit Abwehr reagieren.<br />

Bildungspolitische Vorgaben<br />

Die politische Bedeutung der pädagogischen<br />

Vermittlung der Geschichte des Nationalsozialismus<br />

<strong>und</strong> des Holocaust kann an den immer wieder<br />

aktualisierten Schulgesetzen, Rahmenrichtli-

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