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Gewalt, Rassismus und Zivilcourage unter Kindern und Jugendlichen

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36 49/2002 epd-Dokumentation<br />

Konfrontationen – Bausteine zur Pädagogischen<br />

Annäherung an Geschichte <strong>und</strong> Wirkung des Holocaust<br />

Von Gottfried Kößler<br />

Vortrag im Rahmen der Tagungsreihe »<strong>Gewalt</strong>,<br />

<strong>Rassismus</strong> <strong>und</strong> <strong>Zivilcourage</strong> <strong>unter</strong> <strong>Kindern</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Jugendlichen</strong>« (2001/2002) des Deutschen KoordinierungsRates<br />

e.V. der Gesellschaften für<br />

Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (in Kooperation<br />

mit anderen Partnern), Bad Nauheim.<br />

Pädagogische Arbeit im Themenfeld »Nationalsozialismus<br />

<strong>und</strong> Holocaust« wird meist im Zusammenhang<br />

mit Moralerziehung <strong>und</strong> Unterweisung<br />

in demokratischen Gr<strong>und</strong>überzeugungen gedacht,<br />

als wenn dies eine Selbstverständlichkeit wäre.<br />

Die Geschichte der Durchsetzung <strong>und</strong> des Alltags<br />

des Nationalsozialismus wird im Projekt »Konfrontationen«<br />

als Teil der Geschichte des Holocaust<br />

<strong>unter</strong> dem Gesichtspunkt vorgestellt, Entscheidungssituationen<br />

im historischen Alltag,<br />

deren Komplexität <strong>und</strong> deren Relevanz für heutiges<br />

Handeln zu reflektieren. Ziel ist die Erkenntnis,<br />

dass eigenes Alltagshandeln Einfluss auf soziale<br />

Prozesse <strong>und</strong> die Wahrung der Menschenrechte<br />

hat. Die methodische Vielfalt <strong>und</strong> die<br />

interdisziplinäre Konzeption des Projektes <strong>unter</strong>stützen<br />

das tragende Prinzip des Perspektivenwechsels<br />

bei der Erschließung der historischen<br />

Erfahrung.<br />

Es ist eine besonders wichtige<br />

Funktion des Geschichtslernens, den<br />

Austausch über die <strong>unter</strong>schiedlichen Erinnerungen<br />

an die jüngere <strong>und</strong> jüngste Geschichte<br />

in der multikulturellen Gesellschaft<br />

zu organisieren.<br />

Die Erinnerung an die Massenmorde wird in vollem<br />

Bewusstsein des Dilemmas zwischen dem<br />

Gedenken als Hinwendung zu den Opfern <strong>und</strong><br />

dem Lernen aus historischen Erfahrungen der<br />

Gesellschaft der Täter thematisiert. Konfrontation<br />

ist ein pädagogisches Konzept für die schulische<br />

<strong>und</strong> außerschulische Bildung. Es besteht aus<br />

Fortbildungsveranstaltungen mit Werkstattcharakter,<br />

Beratung von Schulen <strong>und</strong> Bildungsträgern,<br />

einem Medienangebot <strong>und</strong> der Reihe Bausteine<br />

für die pädagogische Annäherung an Geschichte<br />

<strong>und</strong> Wirkung des Holocaust.<br />

Generationelle Bezüge<br />

Bei der Planung von Lernprozessen, die sich auf<br />

die Geschichte der Massenvernichtung der europäischen<br />

Juden <strong>und</strong> all der anderen Gruppen<br />

beziehen, die in der Ideologie des nationalsozialistischen<br />

<strong>Rassismus</strong> als »lebensunwertes Leben«<br />

galten, gibt es eine alle anderen Umstände prägende<br />

Voraussetzung: Es ist hier geschehen <strong>und</strong><br />

Deutsche haben den Mord erdacht <strong>und</strong> waren für<br />

seine Umsetzung verantwortlich. Dies spielt in<br />

jede Entscheidung von Pädagogen hinein, sei es<br />

die Festsetzung der Themenschwerpunkte, der<br />

Lehrziele, der methodischen Verfahren. Aber<br />

nicht nur das.<br />

Vor allem beeinflusst diese Tatsache die eigenen<br />

emotionalen Bezüge zu diesem in jeder Hinsicht<br />

belastenden Gegenstand. In Deutschland, wo die<br />

meisten Pädagogen - sei es in der Schule oder in<br />

der außerschulischen Bildungsarbeit - aus deutschen<br />

Familien stammen, ist die Belastung mit<br />

bewussten oder unbewussten Schuldgefühlen<br />

besonders hoch. Die Hoffnung, gerade durch den<br />

Bezug auf die Dimension der Verbrechen, die vor<br />

drei <strong>und</strong> mehr Generationen von Deutschen begangen<br />

wurden, eine Pädagogik der Prävention<br />

gegen <strong>Rassismus</strong> <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong> gestalten zu können,<br />

hat ihren Ursprung nicht zuletzt in dem<br />

Wunsch, mit dieser Belastung umzugehen. Im<br />

schulischen Umgang mit dem Nationalsozialismus<br />

im Allgemeinen <strong>und</strong> dem Holocaust im Besonderen<br />

spiegeln sich die <strong>unter</strong>schiedlichen Bezüge<br />

der Generationen zu dem historischen Ereignis.<br />

Die erste Phase nach 1948 war von der<br />

Generation derjenigen geprägt, die selbst den<br />

Nationalsozialismus, den Krieg <strong>und</strong> die Deportationen<br />

zumindest als Zuschauer miterlebt hatten.<br />

Sie sprachen nicht von diesen Erfahrungen. Auch<br />

in den Lehrplänen war nicht gefordert, sich der<br />

eigenen Lebensgeschichte als Unterrichtsgegenstand<br />

zu stellen. Die Geschichtslehrer der 50er <strong>und</strong><br />

60er Jahre erzählten vom Krieg als traumatischer<br />

Erfahrung oder als Abenteuer; die Geschichte des<br />

Krieges war auch laut Lehrplan zu <strong>unter</strong>richten.<br />

Die Juden <strong>und</strong> erst recht andere Minderheiten<br />

kamen in der Regel nicht vor.<br />

Die Generation der Studentenrevolte rebellierte<br />

bekanntlich nicht zuletzt gegen dieses Schweigen.

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