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Gewalt, Rassismus und Zivilcourage unter Kindern und Jugendlichen

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hat damit seine Entscheidungsfreiheit <strong>und</strong> seine<br />

Bewegungsfreiheit eingebüßt oder zumindest<br />

entscheidend eingeschränkt. Er kann nur noch<br />

reagieren.<br />

Wenn in einer Bedrohungssituation ein oder<br />

mehrere Täter <strong>und</strong> das ausgewählte Opfer aufeinandertreffen,<br />

entsteht zwischen ihnen eine<br />

kommunikative Beziehung.<br />

Dies kann durch Worte oder auch durch Haltung,<br />

Gesichtsausdruck, Gesten, ja selbst durch<br />

Schweigen geschehen. Menschen, die miteinander<br />

kommunizieren, beeinflussen sich wechselseitig.<br />

Sie reagieren aufeinander. Dadurch kann<br />

eine Situation eskalieren; sie kann sich aber auch<br />

entspannen.<br />

Während einer kriminellen Tat spielt sich folgendes<br />

ab: Der Täter versucht, einem anderen Menschen<br />

die Rolle als Opfer aufzuzwingen. Das Opfer<br />

kann diese Rolle annehmen oder sie zurückweisen.<br />

Es besteht also auch die Möglichkeit, die Opferrolle<br />

zu verlassen <strong>und</strong> sich als Gegner darzustellen,<br />

der sich der Macht des Täters nicht <strong>unter</strong>werfen<br />

wird.<br />

Gelingt es dem Opfer, aus seiner ihm zugedachten<br />

Rolle auszubrechen, durchkreuzt er das Konzept<br />

des Täters <strong>und</strong> setzt ihm sein eigenes Konzept<br />

entgegen. Dies führt in der Regel zur Verunsicherung<br />

des Täters, <strong>und</strong> das potentielle Opfer<br />

hat wertvolle Sek<strong>und</strong>en gewonnen, in denen es<br />

weiter agieren kann.<br />

Hier ist es nun wichtig, durch sprachliche Kommunikation<br />

den Täter zu beeinflussen <strong>und</strong> sich<br />

konsequent aus dem Magnetfeld des Täters zu<br />

begeben.<br />

Auch der Versuch, sich gewaltsam in einer Bedrohungssituation<br />

zu wehren, bedeutet, die Rolle<br />

als Opfer nicht hinnehmen zu wollen. Angesichts<br />

des allgemeinen Interesses, entsprechende Fähigkeiten<br />

erwerben zu wollen, gilt es festzuhalten:<br />

Die Möglichkeiten von gewaltsamem Widerstand<br />

werden nicht zuletzt gefördert durch verzerrte<br />

<strong>und</strong> unrealistische Darstellungen in den visuellen<br />

Medien <strong>und</strong> durch kommerzielle Interessen von<br />

»Karate -Schulen« <strong>und</strong> ähnlichen Einrichtungen<br />

im Allgemeinen <strong>und</strong> insbesondere bei männlichen<br />

<strong>Jugendlichen</strong>, jungen Männern <strong>und</strong> Gruppen<br />

von Feministinnen nicht nur erheblich überschätzt,<br />

sondern sogar gr<strong>und</strong>sätzlich falsch eingeschätzt.<br />

Kaum oder sogar überhaupt nicht be-<br />

epd-Dokumentation 49/2002 59<br />

kannt sind hingegen die Möglichkeiten eines gewaltfreien<br />

Widerstandes in Bedrohungssituationen,<br />

dessen Mittel im Wesentlichen Formen<br />

sprachlicher Beeinflussung sind, als genuin<br />

menschliche Verhaltensweisen. (Nach Han<br />

Horstink: Ohne <strong>Gewalt</strong> gegen <strong>Gewalt</strong>kriminalität.<br />

In: gewaltfreie aktion, 24. Jg. (1992), Heft 91/92.)<br />

Strategien gegen <strong>Gewalt</strong><br />

In einem seiner letzten Jahresberichte berichtete<br />

das K 14, zuständig für die Bearbeitung der jugendgruppenspezifischen<br />

<strong>Gewalt</strong>delikte <strong>und</strong> des<br />

Straßenraubs, dass jugendliche Täter öfters bewaffnet<br />

sind <strong>und</strong> die Bereitschaft, diese Waffen<br />

auch einzusetzen, gestiegen ist.<br />

»Cool sein« ist eine Fähigkeit, die<br />

besonders bei männlichen <strong>Kindern</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Jugendlichen</strong> Ausdruck von persönlicher<br />

Ehre ist. »Uncool« ist unmännlich <strong>und</strong><br />

bedeutet Gesichtsverlust, der häufig mit<br />

körperlicher Aggressivität beantwortet<br />

wird.<br />

Wurden insbesondere junge Männer früher geradezu<br />

erm<strong>unter</strong>t, sich in einem Konflikt ggf. auch<br />

»mit Fäusten« zur Wehr zu setzen, so kann man<br />

heutzutage keinem Menschen mehr raten, sich in<br />

einem Konflikt in eine körperliche Auseinandersetzung<br />

mit einem Fremden einzulassen. Das<br />

Opfer bestimmt das Ende dieses Konfliktes nicht<br />

mehr. Außerdem wird die Hilfsbereitschaft außenstehender<br />

Zeugen dramatisch verringert,<br />

sollte sich das Opfer auf die Ebene des Täters<br />

begeben. Dies kann sowohl sprachlich geschehen,<br />

als auch von seinen Handlungen oder sogar seiner<br />

Bewaffnung ausgehen. Das Opfer wird dann<br />

von außen nicht mehr als Opfer, sondern als Täter<br />

oder MitTäter angesehen. Hier müssen andere<br />

Strategien gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> angewandt werden.<br />

1997 wurde vom Präventionsrat der Stadt Frankfurt<br />

am Main die Kampagne »<strong>Gewalt</strong> - Sehen -<br />

Helfen« ins Leben gerufen. Eine Kampagne, die<br />

sich gegen die Unkultur des Wegschauens richtet<br />

<strong>und</strong> für mehr <strong>Zivilcourage</strong> wirbt. Bei den Veranstaltungen<br />

zu diesem Thema werden anhand<br />

theoretischer Überlegungen <strong>und</strong> Rollenspiele<br />

Verhaltenskonzepte im Umgang mit <strong>Gewalt</strong>situationen<br />

im öffentlichen Bereich vermittelt.<br />

Sehr schnell wurde klar, dass sich die Kampagne<br />

mit ihren Inhalten an die erwachsene Bevölkerung<br />

richtet. Kinder <strong>und</strong> Jugendliche finden nur<br />

schwer Zugang. Schon der Name »<strong>Gewalt</strong> - Sehen

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