daunlots 60 - Sauerlandmundart
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19<br />
In ihrer im „Dritten Reich“ massenhaft verbreiteten „Frauenrede“ 27 von 1938 sieht JOSEFA<br />
BERENS-TOTENOHL ausgerechnet in der jüdischen Kulturüberlieferung eine spezielle<br />
Geringschätzung der Frau am Werk (Berens-Totenohl 1938*, S. 10-13), was in wissenschaftlicher<br />
Perspektive absurd ist. Den Verrat einer vom Nationalsozialismus überwundenen<br />
„jüngsten Vergangenheit“ am vermeintlich besseren germanischen Ursprung kennzeichnet sie<br />
dann u.a. wie folgt. „Es war die Zeit der Fäulnis und der Verderbtheit unseres Kulturlebens<br />
durch fremdrassige jüdische Kunst und Literatur“ (ebd., S. 16).<br />
Ein weiteres Zeugnis enthält ein Brief der Dichterin vom 1.4.1942 an ihren ehemaligen<br />
Arnsberger Lehrerseminar-Direktor Eugen Kuntze aus der Zeit ab 1911, in dem sie über ihre<br />
1931 unternommene Reise nach „Spanisch-Marokko“ und Spanien rückblickend schreibt:<br />
„Vor allem aber erlebte ich den Süden, und in Marokko die arabische Rasse, neben der<br />
jüdischen. – Sehr interessiert hat mich in Spanien natürlich die Malerei [...]. Besonders<br />
interessant war für mich die Berührung zwischen den Kulturen der Araber, Römer,<br />
Westgoten, Spanier, die dort einem sichtbar wird. Die verschiedenen Einflüsse, die<br />
miteinander verwoben, wieder zu einem seltsamen Eigenleben kommen. Die jüdische Rasse,<br />
die doch auch dort lange neben der arabischen gehaust hat, hat keine Kulturspuren<br />
hinterlassen, Händlertum ist wohl nur auf den Zweck ausgerichtet, was man von der Hanse<br />
freilich nicht sagen kann.“ 28<br />
Dem römisch-katholischen Priester LORENZ PIEPER, ihrem NSDAP-Parteigenossen und<br />
Freund, malt JOSEFA BERENS-TOTENOHL in einem nicht genau ermittelten Zeitraum zwischen<br />
1936 und 1941 „arische Heilige“, mit denen dieser in der Warsteiner Anstaltskapelle jüdische<br />
Figuren aus dem Evangelium ersetzt (Tröster 2002, S. 177). Den leidenschaftlichen<br />
Antisemitismus von J.B.T. hat 1991 auch Joseph Schmidt, junger Journalist zur NS-Zeit, in<br />
einem Leserbrief an die WP Olpe bezeugt, der weiter unten vollständig nachzulesen ist. Der<br />
vor allem in den Femhof-Büchern von J.B.T. drastisch gestaltete rassistische Antiziganismus 29<br />
ist freilich angesichts des NS-Massenmordes an Sinti und Roma genauso in Erinnerung zu<br />
rufen.<br />
6. „Entnazifizierung“ – Nach 1945 im Abseits?<br />
Nach Niederwerfung des massenmörderischen Faschismus 1945 folgen für JOSEFA BERENS-<br />
TOTENOHL ein „Entnazifizierungsverfahren“ und das Ende der Karriere als Bestsellerautorin.<br />
Die Dichterin sieht sich in ihrer unmittelbaren Umgebung zunehmenden „Anfeindungen“<br />
ausgesetzt. Aufgrund ihrer „naturalistischen Grundhaltung“ wird sie amtlich lediglich als<br />
„NS-fördernd“ eingestuft, was angesichts von früher NSDAP-Parteimitgliedschaft und<br />
ausgiebiger NS-Propagandatätigkeit sehr verwundern muss. Ein genauerer Blick in die<br />
Entnazifizierungsakte sorgt für Aufklärung. Der zuständige Ortsausschuss hatte nämlich 1946<br />
zunächst als Ergebnis festgestellt: „Aktivistin durch propagandistische Vorträge. Als solche<br />
27 Vor dem Entnazifizierungsausschuss wird J.B.T. dann 1946 angeben, ihre [kriegsfördernde!] Broschüre „Die<br />
Frau als Schöpferin und Erhalterin des Volkstums“ (Berens-Totenohl 1938*) wider Weimarer Republik,<br />
Judentum, pluralistische Kultur und modernes Frauenbild sei ganz „unpolitisch, eine erzieherische<br />
Angelegenheit zu echter Fraulichkeit“.<br />
28 Zitiert nach: Eugen Kuntze: „Mein Lebenslauf“, geschrieben 1936 bis 1943. = Unveröffentlichtes Manuskript<br />
[Kopie: Christine Koch Mundartarchiv]. – Ignoranter und perfider wie in diesem J.B.T.-Text geht es wohl kaum<br />
noch: Der in Cordoba geborene jüdische Philosoph, Rechtsgelehrte und Arzt Moses Maimonides (12. Jh.) etwa<br />
zählt zu den bedeutendsten Gelehrten des Mittelalters und war den „christlich-germanischen“ Gelehrten seiner<br />
Zeit weit voraus. Mit Blick auf die späteren „christlichen“ Judenverfolgungen in Andalusien liest sich der<br />
Hinweis auf die „Spurenlosigkeit“ des Judentums geradezu zynisch.<br />
29 Nicht eingesehen habe ich folgende neuere Arbeit dazu: Ulrich Friedrich Opfermann: „Zigeuner“ auf der<br />
Heimatbühne. Eine Sauerländer Erfolgsautorin und ihr Hauptwerk. In: Karola Fings/Ulrich Friedrich Opfermann<br />
(Hrsg.): Zigeunerverfolgung im Rheinland und in Westfalen. 1933-1945. Geschichte, Aufarbeitung und<br />
Erinnerung. Paderborn 2012, S. 301-314.