daunlots 60 - Sauerlandmundart
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So, als wäre nichts geschehen, setzte die Dichterin ihr Wirken als westfälische Prominente<br />
fort und predigte gegen Materialismus, Kulturverlust oder Sittenzerfall. Der SAUERLÄNDER<br />
HEIMATBUND versprach sich von ihr wieder eine zugkräftige Werbewirkung (19<strong>60</strong> wurde sie<br />
z.B. für eine vom Heimatbund organisierte Mitarbeiterschulung bei den sauerländischen<br />
Kreisverwaltungen engagiert). 70 1957 erfolgte gar die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes<br />
an M. KAHLE, 19<strong>60</strong> auch die Auszeichnung mit der Agnes-Miegel-Plakette (benannt nach<br />
einer Dichterin, die ebenfalls Hitler verehrt hatte).<br />
So etwas wie Reue angesichts der eigenen „Kulturbeiträge“ zu Faschismus, Judenverfolgung<br />
und Kriegshetze hat MARIA KAHLE öffentlich nie erkennen lassen. In der Nachkriegszeit hat<br />
die katholische Publizistin M. Padberg sie besucht. Die Heimatdichterin wich im Gespräch<br />
allen kritischen Rückfragen zum Zeitabschnitt des sog. Dritten Reiches aus und schwärmte<br />
stattdessen ausführlich von ihren zahlreichen Auslandsreisen (telefonisch mitgeteilt an den<br />
Verf. im Dezember 2012 von Dr. Magdalena Padberg, Eslohe).<br />
Anderslautende Nachrichten gibt es nur aus dem privaten bzw. nichtöffentlichen Bereich. In<br />
dem schon oben zitierten Brief von 1949 schreibt MARIA KAHLE:<br />
„Ich lebe in der festen Überzeugung, dass aus unserer chaotischen Zeit eine religiöse<br />
Erneuerung – wenn wir es denn so nennen sollen – wachsen wird. Alle wesenhaften<br />
Menschen, die an der Barbarei und Gottesferne leiden, in die die weiße Welt immer<br />
weiter hineintreibt, müssen bis in die Tiefen der Seele erschüttert werden. Heute fasse<br />
ich es schon kaum mehr, wie uns nach dem Ersten Weltkrieg nationale Ziele oder sogar<br />
eine Fahne! So viel bedeutet haben. Nun, es waren Stufen der Entwicklung. Heute geht<br />
es um ganz anderes. Vielleicht musste [!] im Nationalsozialismus die Hybris des<br />
Nationalgedankens und des Nationalstaates erlebt, erlitten und ad absurdum geführt<br />
werden. Aus den Zuckungen und Krämpfen, die wir heute in der Politik, in der Kunst,<br />
auf allen geistigen Gebieten verfolgen, wird der religiöse Mensch geboren, oder es<br />
kommt der Untergang.“ (zit. Heimatbund Olsberg 1993*)<br />
Man kann Friedrich Schroeder nur darin beipflichten, dass diese gewundenen, z.T. zynischen<br />
Zeilen in keiner Weise überzeugen. 71 An der jungen Bundesrepublik kann die Autorin, die –<br />
erst – jetzt einen Untergang der Zivilisation und ein Hineintreiben in „Barbarei und<br />
Gottesferne“ fürchtet, offenbar nicht viel Gutes finden. Mehr als 50 Millionen Kriegstote und<br />
sechs Millionen Opfer des industriellen Massenmordes an jüdischen Menschen erscheinen ihr<br />
hingegen bloß wie etwas Schicksalhaftes bzw. wie „notwendige Stufen einer Entwicklung“.<br />
Auch die jüngst von Dr. Erika Richter veröffentlichten und kommentierten privaten<br />
Briefzeilen an den Heimatbund-Funktionär THEODOR PRÖPPER von 1956/57 belegen keine<br />
Absicht MARIA KAHLES, öffentlich zu ihrer nationalistischen Vergangenheit zu stehen<br />
(Richter 2012*):<br />
Gemeinsamkeiten mit dem Gedankengut Maria Kahles in der braunen Ära gab es bei<br />
Pröpper [...] gewiss nicht. Dennoch wendet er sich als der bekannten Heimatdichterin<br />
1956 auch an sie, als es um die Gründung des Künstlerrings geht. Maria Kahle<br />
antwortet zustimmend zunächst nur auf einer Postkarte, konnte bei der<br />
70 Auch diese Verdrängungsfront bewegte den Linkskatholiken JOSEF RÜTHER Mitte der 1950er Jahre, sich wie<br />
1928 ein zweites Mal aus der aktiven Arbeit für den SAUERLÄNDER HEIMATBUND zurückzuziehen (Blömeke<br />
1992, S. 145ff).<br />
71 Vgl. Schroeder 1993b*: „Sie selbst, ihr eigenes Tun und Schreiben stellt sie nicht zur Debatte, sondern in der<br />
objektivierenden Formulierung von der >Hybris des Nationalgedankens< wendet sie ihr eigenes Tun ins<br />
allgemeine, gewissermaßen ins Geschichtsnotwendige. Das Desaster der Naziherrschaft, die Zerstörungen, der<br />
millionenfache Mord, das ganze menschliche Elend, dies alles erhält seinen objektiven Sinn, wird als<br />
notwendiger Läuterungsprozeß aufgefaßt. Das Modalverb >mußte< verweist auf den heilsamen Wert eines<br />
gleichwohl verbrecherischen Regimes.“