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daunlots 60 - Sauerlandmundart

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des öffentlichen Geschehens schwingen bis in seine Einsamkeiten hinein. Das gilt im<br />

Guten und im Bösen. Die Verderbnis der vergangenen Zeit warf nur einzelne Schatten,<br />

nicht die ganze Gefahr und Fäulnis in das Sauerland hinein. Davon hörten unsere<br />

Menschen nur sagen. Auch die unbeschreiblich große leibliche und seelische Not des<br />

Bruders in der Stadt, wie die Spannung zwischen den Menschenklassen, hat der<br />

Sauerländer nicht gespürt. Daher brannte ihm die Not nicht auf den Fingern wie den<br />

Arbeitslosen und Eingepferchten auf dem Asphalt der Großstadt. Darum konnte auch<br />

nicht der Kampf bei ihm zur Austragung kommen. Das hat seinen Vorteil, aber auch<br />

seinen Nachteil, wenn wir die Freude und den Stolz derer ansehen, die von sich sagen<br />

können, daß sie für das große Werk der Wiedergeburt unseres Volkes gekämpft und<br />

gelitten haben. In den praktischen Forderungen des Nationalsozialismus aber steht das<br />

Sauerland keineswegs hinter anderen Landesteilen zurück. Es opfert, es hilft. Die<br />

Mannhaftigkeit des an sich schon harten und wehrhaften Volksstammes hat in der<br />

Verteidigung des Vaterlandes im Weltkrieg nicht versagt, wird es auch in Zukunft nicht<br />

tun. Die Verkündigungen des Nationalsozialismus sind der Lebensauffassung des<br />

ländlichen Menschen durchaus gemäß, wenn nicht naturfeindliche und volksfeindliche<br />

Kräfte, die einst die große Macht im Sauerlande verkörperten und es heute noch tun, am<br />

Werk wären, dann möchte unser Volk nicht nur in der praktischen Haltung, sondern<br />

auch im äußeren Bekenntnis rascher hineinwachsen, in das neue Leben, denn anders<br />

kommt es nicht hinein, außer es wächst hin. Wachsen aber braucht Zeit.“<br />

Es kann kein Zweifel bestehen, dass JOSEFA BERENS-TOTENOHL hier mit den immer noch<br />

mächtigen „naturfeindliche[n] und volksfeindliche[n] Kräfte[n]“ Hierarchie und Milieu des<br />

römischen Katholizismus im Sauerland ansprechen möchte, die eben 1938 einem vollen<br />

ideologischen Anschluss an die „neue Zeit“ noch entgegenstehen.<br />

*<br />

Die früheste Erwähnung CHRISTINE KOCHS in der Zeitschrift erfolgt im Hinweis auf eine<br />

„kirchliche Uraufführung“ ihrer von GEORG NELLIUS vertonten „Duitsken Misse“ – anlässlich<br />

des „1. Sauerländer Heimattages im neuen Deutschland“ 1935 (S. 193; vgl. aber auch S. 187).<br />

JOSEFA BERENS-TOTENOHL erscheint dann 1936 als geeignetes Redaktionsmitglied für eine<br />

ausführlichere Vorstellung CHRISTINE KOCHS (S. 241-245), wobei sie zwar auf eine „Stammesverwandtschaft“<br />

mit der älteren Freundin hinweist, jedoch auf eine [NS-]ideologische<br />

Vermittlung des 1924 bis 1929 veröffentlichten Mundartwerkes verzichtet. Festgestellt wird<br />

von J.B.T. über CHRISTINE KOCH: „Was sie zu geben hatte, gab sie, streute es aus über die<br />

Heimat wie eine Segnende.“ Anders hingegen finden wir es im gleichen Jahrgang in dem<br />

peinlichen, schon 1929 erstveröffentlichten M. KAHLE-Widmungsgedicht „An Christine<br />

Koch“ 81 (S. 269f). Hier wird CHRISTINE KOCH – ganz auf der Höhe der Zeit – zur mythischen<br />

Ahnin und Mutter des Volkes stilisiert.<br />

HEINRICH LUHMANN rezensiert 1937 eine Neuauflage bzw. (besser) CHRISTINE KOCH-<br />

Gesamtauswahl: „Wille Räosen“, in denen er eine „Sonne echten Dichtertums auch über dem<br />

Kleinen und Kleinsten“, aber merkwürdigerweise auch eine „Sehnsucht der deutschen Seele“<br />

entdeckt haben will (S. 4<strong>60</strong>). „Aus Anlaß von Christine Kochs 70. Geburtstag“ veröffentlicht<br />

Christian Jenssen im Jahrgang 1939 einen Beitrag über „Westfälische Frauendichtung der<br />

Gegenwart“ (S. 625- 633). Das Geburtskind selbst, recht kurz behandelt, gibt offenbar<br />

weniger her für den Zeitgeschmack als die sieben anderen im Beitrag gewürdigten<br />

Autorinnen. Immerhin betrachtet Jenssen CHRISTINE KOCHS plattdeutsche Lyrik, welche<br />

„nirgends die Grenzen des Stoffkreises der Mundartdichtung“ überschreite, durchaus als<br />

„gesamtdeutschen Besitz“! Er spricht von Liedern, die „gleichsam namenlos aus der<br />

81 Text zugänglich auch in: www.sauerlandmundart.de: <strong>daunlots</strong> nr. 59, S. 95f.

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