daunlots 60 - Sauerlandmundart
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ein Sichhingeben, ein Sichbetten in eine Kraft außer ihm, der weiß nichts vom rechten<br />
Glauben. 41<br />
Der Glaube ist Tat. Er ist Kampf. Wie Dürers Ritter in die Schlucht des Todes hineinreitet,<br />
aufrecht und ohne Furcht, wie ihn keine Hölle und kein Teufel schreckt, wie er den Tod auf<br />
der Lauer weiß und doch seinen Weg nimmt, so und nur so kann der Mensch Zeiten<br />
überstehen, wie wir sie heute erleben. Wer innerlich schwach ist, wer von Furcht erfüllt, seine<br />
Tage zählt, wer die Fackel des Glaubens anzuzünden vergaß, oder wer zu arm war an<br />
Feuersglut, daß ihm der zündende Funke fehlt, der wird die Schlucht des Todes nicht<br />
durchschreiten; er wird zusammensinken, ehe er noch die Mitte ergangen hat. 42<br />
Weltstunden sind immer von unheimlicher Größe. In ihnen brechen elementare Kräfte auf, die<br />
zwar zu aller Zeit vorhanden sind und in der Tiefe schlummern; aber sie sind dann gebunden<br />
und gebändigt, überdeckt von Ordnungen, die für Jahrhunderte und länger Geltung haben.<br />
Dann aber, wenn deren Zeit um ist, wenn neue Inhalte ans Licht drängen und sich ihre neue<br />
Form suchen, wenn andere Lebensordnungen gefunden werden müssen, dann bebt die Erde.<br />
Das Leben gebiert sich neu. Unter Erschütterungen und Schmerzen aber geschieht alle<br />
Geburt.<br />
Die Menschen wissen es nicht, was ans Licht drängt, sie ahnen es nur. Diesem Geahnten<br />
schenken sie ihren Glauben. Von der Notwendigkeit dieses Geahnten aber wird dieser Glaube<br />
gehärtet, je näher die Zeit heranrückt. Einer ist der vom Schicksal Erkorene, der das Neue<br />
auszulösen hat; er ist der Schauende, der es verkündigt. 43 Er gewinnt die Erstlinge der<br />
Gläubigen und führt sie der neuen Ordnung des Lebens zu, er vollzieht mit ihnen den<br />
Durchbruch ins Kommende.<br />
Wie dieser erste Glaubensträger, wie seine Anhänger sich aber allen andern plötzlich<br />
gegenüberstehend sahen, denjenigen, die noch in der alten Ordnung lebten, so steht heute das<br />
gläubige Volk jenen Mächten gegenüber, denen das Gewordene gehört, die sich im Besitz des<br />
Gewordenen reich dünken und im materiellen Sinne auch sind.<br />
Diesen Besitzenden wohnt eine heimliche Angst inne, die Sorge, daß aus dem Gewordenen<br />
nicht etwas Gewesenes werde. Die Sorge treibt sie zum Kampfe. So stehen die beiden Mächte<br />
heute gegeneinander.<br />
Auch die Zeiten kennen Jugend und Alter. Die eine ist das Wachsende, die andere das<br />
Vergehende. Unerbittlich waltet dieses Gesetz. Immer aber ist das Wachsende das Stärkere,<br />
einerlei ob ein Jahrhundert darangewendet werden muß oder ein Jahrtausend. Die<br />
Waagschale des anderen sinkt, einerlei, wie lange sie noch in der Schwebe sein mag.<br />
Der Glaube aber ist es, der Glaube an das Neue, das Kommende, der es wachsen macht. Er<br />
ist die Herzkraft unseres Volkes, in der wir durch die Hölle des Krieges hindurchgehen<br />
können mit einem Wagemut ohnegleichen und einem Zorn ohnegleichen. Unsere Waffen sind<br />
die Stärke unserer Hand, unser Glaube aber ist die Kraft unseres Herzen, die unsere Hand<br />
lenkt. Solange er in uns brennt, stehen wir; solange sind wir unbesiegbar. Wann aber hätten<br />
wir Grund, im Glauben wankend zu werden? Sind wir doch die Wachsenden, die<br />
Kommenden!<br />
(Josefa Berens-Totenohl: Vom Glauben. In: Bücherkunde der Reichsstelle zur Förderung des<br />
Deutschen Schrifttums 11/1944, S. 3-4.)<br />
41<br />
„Glaube“ wird hier also eindeutig abgegrenzt zur tradierten christlichen Religion und eben nicht verstanden als<br />
„Sich verankern“ in einen transzendenten Gott.<br />
42<br />
Diese Zeilen sind ohne Zweifel als Absage an alle zu deuten, die 1944 keinen „Glauben“ mehr an einen<br />
Endsieg der deutschen Wehrmacht im Weltkrieg hegen. Zuvor schon war z.B. ein kriegspropagandistischer Text<br />
von J.B.T. wie „Mutter Drisch“ 1939/1942 in Schullesebüchern für Mädchen und Jungen abgedruckt worden<br />
(Niethammer 1992, S. 355).<br />
43<br />
Für keinen Leser 1944 blieb verschlossen, dass die Autorin hier Adolf Hitler meint und mit den „ersten<br />
Glaubensträgern“ dann im nächsten Absatz die Pioniere der nationalsozialistischen Bewegung angesprochen<br />
sind.