daunlots 60 - Sauerlandmundart
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Gründungsversammlung in Meggen im Juni 1956 wegen anderer Verpflichtungen auch<br />
nicht anwesend sein. Im Januar 1957 antwortet sie ihm aber auf sein „ehrliches und<br />
warmherziges“ Schreiben anlässlich ihres 65. Geburtstages am 1. 8. 1956, das hier nicht<br />
im Wortlaut vorliegt, ausführlich. Aus ihrem Antwortbrief geht hervor, dass Pröpper<br />
sich darin ihrer ersten Begegnungen erinnert und [?] „mit Ihren Gedanken den Weg<br />
eines Menschen zu verfolgen, den Sie gewiß oft nicht verstehen konnten“. Maria Kahle<br />
deutet damit die Gegensätzlichkeit an, die sie damals von Pröpper getrennt hatte. Ihre<br />
folgenden Worte sind so gewichtig, dass sie insgesamt wörtlich wiedergegeben werden<br />
müssen:<br />
„Ich begreife dies heute und scheue mich nicht zu gestehen, daß ich in Vielem irrte und<br />
mit derselben Leidenschaft, mit der ich einst meinen Irrtümern nachhing, sie heute<br />
ungeschehen machen möchte. Mehr kann ich dazu nicht sagen, und ich weiß, ich<br />
brauche Ihnen auch nicht mehr zu sagen, dies war ja das mich sehr Beglückende in<br />
Ihrem Brief. Die Jahre meiner schweren Krankheit von 1942 – 1949 haben für mein<br />
Leben Sinn gehabt, wenn ichs auch damals noch nicht sehen wollte.“<br />
Im Folgenden weist sie aus Pröppers Geburtstagsbrief seine Worte ab („Ihr Nachen ist<br />
schwer von reicher Frucht“) und betont das Bruchstückhafte, Fragmentarische ihrer<br />
bisherigen dichterischen Arbeit. Dann erläutert sie noch einmal ihr Schreiben in der<br />
Vergangenheit: „Meine dichterischen Pläne sind ja immer wieder hintenangestellt<br />
worden, weil mich eine Besessenheit trieb für irgendeine Idee -- oder auch nur für eine<br />
Ideologie — die mich erfüllte, der ich dienen wollte, unter die Menschen zu gehen, zu<br />
reden, zu >predigenMüssenBeichte<<br />
als Beweis meines Vertrauens und auch meines Dankes für Ihren Brief. Ihre Maria<br />
Kahle“<br />
Alles, was dieses bislang unveröffentlichte „Bekenntnis“ bietet, ist das inhaltslose Eingeständnis<br />
einer ideologischen Besessenheit in der Vergangenheit, welches durch mannigfache<br />
Entschuldigungsgründe (Ungeduld, Unreife, Temperament, subjektives Müssen) sogleich<br />
wieder relativiert wird.<br />
Der jüngste Beitrag von Dr. Erika Richter eröffnet m.E. auch grundlegende Erkenntnisse für<br />
die Nachkriegszeit der Region. 1956 hatten sich beim legendären Schmallenberger Dichtertreffen<br />
die jungen Literaten Westfalens gegen die unselige Westfalen- und Stammesideologie<br />
gestellt und damit einen Eklat herbeigeführt. THEODOR PRÖPPER, der als Heimatbund-<br />
Mitarbeiter zur Zeit der Weimarer Republik dem fortschrittlichen Zentrums-Flügel angehört<br />
hatte, konnte hier offenbar nicht mehr folgen und reagierte mit einer sauerländischen<br />
Künstlerkreis-Initiative, die dem alten – zumindest sehr konservativen – Heimat- und<br />
Volkstumsdenken viel Raum ließ. 72 PRÖPPER wollte offenbar – ganz anders als JOSEF RÜTHER<br />
– zu dieser Zeit die kritisierten Altvorderen vom rechten Flügel wieder integrieren und übte<br />
sich in großer Nachsicht 73 . (Soweit es Mitglieder des eigenen konfessionellen Kollektivs<br />
betraf, war solche „Nachsicht“ gegenüber Mitläufern und Mittätern bei Katholiken, die selbst<br />
72 In der von TH. PRÖPPER entworfenen Gründungsurkunde hieß es: „Der Sauerländer Künstlerring bekennt sich<br />
zu den Werten der Heimat und eines gesunden Volkstums als bedeutsamen Faktoren auch für den künstlerischen<br />
Schaffensbereich, die, recht verstanden, nicht gleichzusetzen sind mit Enge und Schwachheit, sondern mit<br />
Ursprünglichkeit, Tiefe und Kraft und durchaus fruchtbar sein können für vollwertiges künstlerisches Bilden und<br />
Gestalten auch von allgemeinmenschlicher Gültigkeit.“ (zit. Richter 2012*)<br />
73 Damit setzt TH. PRÖPPER nach 1945 letztlich die Linie fort, die FRANZ HOFFMEISTER im SAUERLÄNDER<br />
HEIMATBUND in den 1920er Jahren verfolgt hat. Sehr zu denken gibt aber auch das literarische Lob, das<br />
PRÖPPER – wiederum in genauem Gegensatz zu J. RÜTHER – 1956 der Dichterin MARIA KAHLE in seinem Brief<br />
zollt („Ihr Nachen ist schwer von reicher Frucht“).