daunlots 60 - Sauerlandmundart
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wirksamkeit der populären Frau für die Heimatbewegung 67 will er offenbar nicht verzichten<br />
(Blömeke 1992, S. 146).<br />
4. Aktiv und geehrt im nationalsozialistischen Staat – Judenhass<br />
Nach 1933 setzt MARIA KAHLE ihre Agitation für „Auslandsdeutschtum“ 68 und Kolonialismus<br />
als Schriftstellerin und unermüdliche Vortragsreisende – auch im Ausland – fort. Auf einer<br />
Südamerikareise wirbt sie 1934 für das Deutschland Adolf Hitlers, dessen Stellvertreter sie<br />
1935 empfängt. Der nationalsozialistische Kulturfunktionär JOSEF BERGENTHAL lobt ihre<br />
diesbezüglichen Aktivitäten, die den offiziellen Parolen („Heim ins Reich“, „Lebensraumerweiterung<br />
im Osten“) mehr als entgegenkommen (Bergenthal 1938). Bis hinein noch in die<br />
1990er Jahre wird man MARIA KAHLES ungeheuren Reisedrang hin zu den „Deutschen im<br />
Ausland“, der wohl kaum unabhängig von ihrem Gelderwerb als „Politkünstlerin“ betrachtet<br />
werden kann, wie ein großherziges Seelsorge-Unternehmen darstellen. Unwahrhaftiger kann<br />
man die Sache wohl kaum angehen. Renate von Heydebrand vermerkt:<br />
„Während die frühe Gedichtsammlung >Gegrüßet seist du Königin!< [...] noch sehr viel<br />
biblisch-christliche Dichtungen enthält [...], geht das religiöse Pathos später im Kult des<br />
Blutes und der Rasse auf. In der Verherrlichung der Siedlungsbewegung im Osten am<br />
Ausgang des 19. Jahrhunderts, für deren Fortsetzung Frau Kahle im 2. Weltkrieg in<br />
Westfalen wie im Ausland wirkt, ist der Gedanke der >Zucht< starker Führungskräfte<br />
aus altem Stamm auf neuem Boden in penetranter Weise leitend (>Westfälische Bauern<br />
im Ostland< 1940). R.W. Darrés >Neuadel aus Blut und Boden< (1930) und ähnliche<br />
Werke bilden ihr Fundament. Mit Vorträgen und Schriften, die in riesigen Auflagen<br />
verbreitet waren, ist Maria Kahle auch im Dritten Reich tätig.“ (Heydebrand 1983, S.<br />
209)<br />
Erika Mann, Tochter des vor den Nazis geflüchteten Dichters Thomas Mann, belegt 1938 ihre<br />
Darstellung der „Erziehung im Dritten Reich“ mit zahlreichen Zitaten der beim Regime<br />
beliebten Lesebuchautorin MARIA KAHLE (Richter 1992*; Schroeder 1993a*). Die Knaben<br />
sollen mit Versen der Sauerländerin erinnert werden an das in ihnen fließende Blut von den<br />
Wikingern, Ostfahrern und Kriegern, „die wilde Weiten eroberten“.<br />
1937 erhält MARIA KAHLE den „Westfälischen Literaturpreis“, wobei selbst nach Meinung<br />
regimetreuer Kulturschaffender nicht etwa literarische Qualität, sondern herausragende<br />
politische Verdienste um das „Deutschtum“ ausschlaggebend sind (Heydebrand 1983, S. 209;<br />
Ditt 1992; Berens-Totenohl 1992, S. 190). Schon im Vorfeld hatte NSDAP-Kulturfunktionär<br />
Richard Euringer ihr bescheinigt, sie sei „nach Verdienst und Charakter nationalsozialistisch“<br />
(Ditt 1992, S. 333). MARIA KAHLES Text „Deutscher Ruf“ vom 12.3.1938 endet mit den<br />
Zeilen:<br />
„Jetzt wird er Wahrheit werden, der alte deutsche Traum.<br />
Verschwunden sind die Grenzen, die uns voreinst getrennt,<br />
Ein Volk, in dem die Liebe zum Führer jubelnd brennt!<br />
67 Im Kontext ihrer Sauerlandideologie hat MARIA KAHLE – nach ihrer Berufung auf FRIEDRICH WILHELM<br />
GRIMME in den „Heimkehrergedichten“ (1923) – ihr hochdeutsches Gedicht „An Christine Koch“ (1929)<br />
vorgelegt, welches einer Rezeption der Mundartlyrikerin unter dem Vorzeichen des völkischen „Muttermythos“<br />
den Weg bahnt (vgl. <strong>daunlots</strong> nr. 59*). CHRISTINE KOCH erscheint darin gleichsam als Inkarnation einer<br />
mythischen Urahnin, durch deren Mund „Urlaute“ wieder hervorquellen (Kontakt zu CHRISTINE KOCH hat<br />
JOSEFA BERENS-TOTENOHL ihr vermittelt). Dem entspricht auch ein völkischer Beitrag „Heimat und<br />
Muttersprache“ von M. Kahle im Werk „Das deutsche Frauenbuch“ (1938/42).<br />
68 Der „Verein für das Deutschtum im Ausland“ (VDA) gehörte zu den NS-Massenorganisationen und ist<br />
selbstredend in den Kontext der expansiven NS-Kriegs- und Siedlungspolitik zu stellen.