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daunlots 60 - Sauerlandmundart

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21<br />

vorgeworfen. 31 Danach zieht sich die Dichterin immer mehr ins Private zurück und arbeitet<br />

1959/19<strong>60</strong> an ihrer Autobiographie, die in vielen Passagen als Selbstrechtfertigung angelegt<br />

ist (s.u.). Der SAUERLÄNDISCHE GEBIRGSVEREIN, der seinen Führer aus der Zeit des „Dritten<br />

Reiches“, den prominenten Nationalsozialisten Eugen Dellenbusch, bereits 1954 wieder zum<br />

Hauptvorsitzenden gewählt hat, zeigt sich ihr jedoch treu verbunden. 32 Sogar der<br />

„westfälische sozialdemokratische Ministerpräsident Fritz Steinhoff ehrte Berens [1956] zu<br />

ihrem 65. Geburtstag. Der Sprecher des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe kam aus<br />

diesem Anlass würdigend auf die Ehrung durch den Westfälischen Literaturpreis 1936 aus der<br />

Hand des Landeshauptmanns Karl-Friedrich Kolbow zurück, eines Angehörigen der >Alten<br />

Garde< der NSDAP.“ (Wikipedia.org; Abruf am 8.1.2013)<br />

1963 kommt es zu einem Krankenhausaufenthalt der Autorin wegen „cerebraler Sklerose“.<br />

Die drastisch fortschreitende Demenzerkrankung führt am 30.7.1963 zur Entmündigung. Kurz<br />

vor ihrem Tod am 6. Juni 1969 wird JOSEFA BERENS – entsprechend der Bitte ihrer frommen<br />

Schwester Anna – wieder in die römisch-katholische Kirche aufgenommen. 33<br />

7. Autobiographisches Schuldbekenntnis?<br />

In ihrer 1959/<strong>60</strong> geschriebenen Autobiographie beruft sich JOSEFA BERENS-TOTENOHL<br />

mehrfach auf ein „unpolitisches Naturell“, Schicksalsglauben oder Unwissenheit und stellt<br />

sich mit großem Selbstmitleid vor allem als Opfer der „Entnazifizierung“ dar: „Als der zweite<br />

Weltkrieg zu Ende war, kam eine Zeit, die man am liebsten vergäße […]. In dieser Zeit der<br />

wilden Not und Verfolgung war unsereins still und stumm. […] Eines Morgens kamen vier<br />

Männer von der Kriminalpolizei [...]. Dann fragten sie, ob ich SS-Männer beherberge. Ich<br />

sagte wieder ja. […] In diesen Wochen sahen mich manche verzerrte Gesichter an. […] In<br />

unserem Volke schwelt der Haß weiter. Wer jemals Nationalsozialist gewesen war, mag er<br />

politisch noch so wenig gehandelt haben, bleibt verfemt.“ (Berens-Totenohl 1992, S. 168-<br />

173) Die „Zeit der Verfolgung“, das ist für J.B.T. die Zeit, in der Nationalsozialisten nach<br />

1945 zur Rechenschaft gezogen werden. Die große Zivilisationsbedrohung steht in ihren<br />

Augen erst noch bevor (ebd., S. 173f).<br />

Zusammen mit Heinrich Schnadt habe ich diese Autobiographie 1992 im Verlag des Esloher<br />

Museums unter dem Titel „Alles ist Wandel“ herausgegeben. In der Folgezeit sind von<br />

Freunden der Dichterin nur meine – z.T. leider allzu – verständnisvollen Kommentierungen<br />

zitiert worden. Von den umfangreichen kritischen Anmerkungen und Recherchen wollte man<br />

nichts zur Kenntnis nehmen. 34 Auch aufgrund dieser Erfahrungen habe ich mich 2000 vom<br />

31<br />

Dass JOSEFA BERENS-TOTENOHL 1956/57 im „Westfalenspiegel“ veröffentlicht und der Westfälische<br />

Heimatbund 1957 in seine „Kleinen Westfälischen Reihe“ ihre Novelle „Das Gesicht“ aufnimmt, deutet darauf<br />

hin, dass man in kulturpolitisch maßgeblichen Kreisen Westfalens an der Autorin festhalten will. Man fördert<br />

namentlich die alten Vertreter der stammesideologischen Literatur. Von den „Größen“ im Westfälischen<br />

Heimatbund war zu dieser Zeit ohnehin kaum jemand „unbelastet“. Fazit: NS-Vergangenheit war kein Problem!<br />

32<br />

Vgl. z.B. das März-Heft 1956 des SAUERLÄNDISCHEN GEBIRGSBOTEN, beginnend mit dem Titelblatt „Josefa<br />

Berens-Totenohl zum 65. Geburtstag“.<br />

33<br />

Im Nachruf der „Westfalenpost“ heißt es, ohne den geringsten Hinweis auf die Zeit des Nationalsozialis mus:<br />

„Josefa Berens-Totenohl hat sich um das Echo ihres literarischen Schaffens wenig gesorgt. [sic!] Um so mehr tat<br />

sie zur Förderung anderer Talente. [... (Christine Koch)] Seit Kriegsende zog sich die Sauerländerin immer mehr<br />

aus der Öffentlichkeit zurück. [...] Dann sprachen ihre Briefe [...] vom weiten Blick ins Sauerland und wie gut es<br />

sei, so nahe am Schweigen zu wohnen.“ („Ich wohne am liebsten im Schweigen“. 78jährig starb Josefa Berens-<br />

Totenohl. In: Westfalenpost [Sauerland], 10. Juni 1969.) Es gibt aber m.W. auch keine anderen Nachrufe, die<br />

1969 die nationalsozialistische Biographie der Autorin thematisieren (vgl. z.B.: Abschied von Josefa Berens-<br />

Totenohl 1969; Nachruf Josefa Berens-Totenohl 1969).<br />

34<br />

Der kritische Apparat war aber offenbar doch so versteckt und leicht zu übersehen, dass auch ein gut<br />

recherchierender WDR-Journalist 1993 die Herausgabe der Autobiographie im Zusammenhang mit seinem<br />

Radiobericht über die Umtriebe des Altnazis und ehemaligen NPD-Landesvorsitzenden Helmut Schauerte in

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