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III. Die Antike und ihre Nachtseite

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172<br />

Essays beweisen soll. 500 In der Tat wird zu oft verkannt, daß „die Begeisterung der<br />

Frühromantiker für die <strong>Antike</strong> <strong>und</strong> für die Vergangenheit von Anbeginn einen<br />

,aktivistischen‘ Ton [hatte]. Nicht der elegisch rückerinnernde Verweis, sondern<br />

das sanktionierende, thetische Urteil war <strong>ihre</strong> Sache. Durch den historisch durch-<br />

aus begreiflichen Eindruck, an der Schwelle einer Epochenwende zu stehen,<br />

glaubten sie sich dazu berechtigt.“ 501<br />

Dionysische Symbolik <strong>und</strong> Metaphorik werden zu einem immer wichtigeren<br />

Teil des von Schlegel entwickelten Poesiebegriffs der Romantik, in dessen Rah-<br />

men die heilige Trunkenheit des begeisterten Dichters, seine Leidenschaftlichkeit<br />

<strong>und</strong> festliche Raserei wichtige Momente darstellen. Im Aufsatz Vom ästhetischen<br />

Werte der griechischen Komödie (1794) unterstreicht der junge Schlegel bereits<br />

den Charakter der höchsten Begeisterung, die fast zur Selbstverletzung kommen<br />

könne <strong>und</strong> in der ein wesentlicher Bestandteil der Alten Komödie zu sehen sei:<br />

<strong>Die</strong>se Verletzung ist nicht Ungeschicklichkeit, sondern besonnener<br />

Mutwille, überschäumende Lebensfülle, <strong>und</strong> tut oft gar keine üble<br />

Wirkung, erhöht sie vielmehr, denn vernichten kann sie die Täuschung<br />

doch nicht. <strong>Die</strong> höchste Regsamkeit des Lebens muß wirken,<br />

muß zerstören; findet sie nichts außer sich, so wendet sie sich zurück<br />

auf einen geliebten Gegenstand, auf sich selbst, ihr eigen Werk; sie<br />

verletzt dann, um zu reizen, ohne zu zerstören. 502<br />

<strong>Die</strong>se Wechselwirkung von Trunkenheit <strong>und</strong> Nüchternheit, Enthusiasmus <strong>und</strong><br />

Selbstzerstörung, Begeisterung <strong>und</strong> Selbstverletzung ist für Schlegel ein wesentli-<br />

ches Element der griechischen Dichtung <strong>und</strong> trägt unverkennbare Züge der ro-<br />

mantischen Ironie 503 in <strong>ihre</strong>m Wechselspiel von Selbstschöpfung <strong>und</strong> Selbstver-<br />

nichtung. <strong>Die</strong> Verschränkung von poetologischer Reflexion <strong>und</strong> ,dionysischem‘<br />

Phänomen macht sich auch bei den folgenden Werken bemerkbar. Das erste Ka-<br />

pitel der Geschichte der Poesie der Griechen <strong>und</strong> der Römer trägt nicht zufällig<br />

den Titel Orphische Vorzeit <strong>und</strong> spielt auf die mythischen Anfänge des Griechen-<br />

500<br />

Vgl. ebenda, S. 364: „In Deutschland, <strong>und</strong> nur in Deutschland hat die Ästhetik<br />

<strong>und</strong> das Studium der Griechen eine Höhe erreicht, welche eine gänzliche Umbildung der<br />

Dichtkunst <strong>und</strong> des Geschmacks notwendig zur Folge haben muß.“<br />

501<br />

J. Fried, <strong>Die</strong> Symbolik des Realen. Über alte <strong>und</strong> neue Mythologie in der Frühromantik,<br />

München 1985, S. 57f.<br />

502<br />

KA I, S. 30.<br />

503<br />

Vgl. Lyceum-Fragment 108: „Sie [die Ironie] enthält <strong>und</strong> erregt ein Gefühl von<br />

dem unauflöslichen Widerstreit des Unbedingten <strong>und</strong> des Bedingten, der Unmöglichkeit<br />

<strong>und</strong> Notwendigkeit einer vollständigen Mitteilung.“ KA II, S. 160.

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