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III. Die Antike und ihre Nachtseite

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den Gedankenkern der später entstandenen Philosophie der Religion. Hier scheint<br />

die Vorbildlichkeit der athenischen pólis darin zu bestehen, daß für <strong>ihre</strong> Erhaltung<br />

die Volksreligion <strong>und</strong> die Mysterienreligion (Eleusis) gebilligt wurden <strong>und</strong> da-<br />

durch eine allgemeine Symbolik <strong>und</strong> Verständigung entstehen konnte, deren Er-<br />

schaffung die moderne Dichtung als <strong>ihre</strong> Aufgabe ansehen muß. <strong>Die</strong>se Gedanken<br />

gelangen in den Würzburger Vorlesungen zu einer starken <strong>und</strong> zugleich einprä-<br />

genden Formulierung: <strong>Die</strong> Dichter verkünden die Idee aller Ideen, <strong>und</strong> zwar die<br />

Wiederkunft der Götter, die bislang nur mysterienartig in der Natur verborgen<br />

war. <strong>Die</strong> Verlegung des Akzents auf die Mysterien, auf die Eleusinien <strong>und</strong> auf die<br />

daherrührende Ähnlichkeit zwischen Christentum <strong>und</strong> Mysterienreligion führt di-<br />

rekt in den Bereich des Dionysischen hinein. <strong>Die</strong> Brüderschaft von Christus <strong>und</strong><br />

Dionysos <strong>und</strong> die Identität vieler Aspekte <strong>ihre</strong>s Kults, die anhand zahlreicher<br />

Textbelege schon im Bezug auf Hölderlin interpretiert wurden, liegt bei Schelling<br />

der Auffassung des Heidentums <strong>und</strong> des Christentums <strong>und</strong> der Verheißung einer<br />

neuen Welt des kommenden Gottes zugr<strong>und</strong>e.<br />

Im Laufe der Jahre wendet sich Schellings Aufmerksamkeit immer mehr der<br />

Erforschung der Ursprünge der alten Mythologie zu, als eines sich von einer Ur-<br />

einheit über die Vielheit bis zu einer neuen Einheit erstreckenden dialektischen<br />

Prozesses. Innerhalb des mythologischen Prozesses kommt Dionysos eine wichti-<br />

ge Rolle zu, denn er ist die Gottheit, welche in sich den Sinn eben dieser Ent-<br />

wicklung vom Mystischen ins Offenbare erfaßt. Durch Rückgriff auf die antiken<br />

Quellen erschließt sich Schelling die geschichtlich-konkrete Dimension der grie-<br />

chischen Mythologie <strong>und</strong> der religiösen Erfahrung: Der dreifache Dionysos ver-<br />

sinnbildlicht den theogonischen Prozeß der antiken Mythologie von Zagreus über<br />

Bakchos zum heiligen Jakchos der Mysterien <strong>und</strong> vereingt durch sein Wesen An-<br />

fang <strong>und</strong> Ende, Vergangenheit <strong>und</strong> Zukunft, die Wiederkunft des kommenden<br />

Gottes, die Wiederherstellung des verlorenen, goldenen Zeitalters <strong>und</strong> die Wie-<br />

dergeburt der griechischen Kultur-Gemeinschaft in Christus-Sotér. Wie die grie-<br />

chische Religion erst mit der Geburt des Messias <strong>ihre</strong>n Sinn erreicht habe, so wer-<br />

de das Christentum mit dem künftigen Advent des neuen Reiches Gottes, der<br />

gemeinschaftlich erlebten Religion seine Erfüllung finden.<br />

Wechselseitig beeinflussen sich Schelling <strong>und</strong> Creuzer, der als erster den<br />

dunklen Gr<strong>und</strong> der antiken Welt erforschte. Seine Symbolik war der erste Versuch

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