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III. Die Antike und ihre Nachtseite

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<strong>Die</strong>sem methodischen Vorwort entsprechend unternimmt Bachofen den Ver-<br />

such, das Wesen eines vorgeschichtlichen gesellschaftlichen <strong>und</strong> juristischen Ur-<br />

zustands des Menschen, des Mutterrechts nämlich, aufzuzeigen, aus dem sich<br />

schließlich das Patriarchat entwickelt habe. <strong>Die</strong>se nur mythisch überlieferte Herr-<br />

schaft der Frauen habe sich in drei Phasen, der aphroditischen, der amazonischen<br />

<strong>und</strong> der demetrischen, vollzogen, bevor der männliche Sieg ihr ein Ende gemacht<br />

habe, ein Vorgang, welchen Bachofen insgesamt als unverkennbaren Fortschritt<br />

betrachtet. Der beinah idyllische Lobpreis des Mutterrechts als Reich der Freiheit,<br />

der Brüderlichkeit <strong>und</strong> der Gleichheit gilt allein der demetrischen Gynaikokratie<br />

auf der Stufe der Ackerbaukultur; viel härter fällt Bachofens Urteil über die ersten<br />

zwei matriarchalischen Weltzeiten aus:<br />

Neben der demetrischen Erhebung des Muttertums offenbart sich eine<br />

tiefere, ursprünglichere Auffassung desselben, die volle, noch keinerlei<br />

Beschränkung unterworfene Natürlichkeit des reinen, sich<br />

selbst überlassenen Tellurismus. Wir erkennen den Gegensatz der<br />

Ackerbaukultur <strong>und</strong> der iniussa ultronea creatio, wie sie in der wilden<br />

Vegetation der Mutter Erde, am reichsten <strong>und</strong> üppigsten in dem<br />

Sumpfleben, den Blicken des Menschen sich darstellt. Dem Vorbild<br />

der letztern schließt der Hetärismus des Weibes, der erstern das demetrisch-strenge<br />

Ehegesetz der ausgebildeten Gynaikokratie gleichartig<br />

sich an. Beide Lebensstufen ruhen auf demselben Gr<strong>und</strong>prinzipe,<br />

der Herrschaft des gebärenden Leibes; ihr Unterschied liegt nur in<br />

dem Grade der Naturtreue, mit welcher sie das Muttertum auffassen.<br />

<strong>Die</strong> tiefste Stufe der Stofflichkeit schließt sich der tiefsten Region des<br />

tellurischen Lebens an, die höhere der höhern des Ackerbaus; jene erblickt<br />

die Darstellung <strong>ihre</strong>s Prinzips in den Pflanzen <strong>und</strong> Tieren<br />

feuchter Gründe, denen sie vorzugsweise göttliche Verehrung darbringt,<br />

diese in der Ähre <strong>und</strong> dem Saatkorn, das sie zum heiligsten<br />

Symbol <strong>ihre</strong>s mütterlichen Mysteriums erhebt. 669<br />

<strong>Die</strong> Errungenschaft der Ehe habe jedoch die folgende patriarchalische Zeit<br />

überdauert <strong>und</strong> damit eine zusätzliche, epochale Bedeutung gewonnen, <strong>und</strong> zwar<br />

jene der Auseinandersetzung zwischen Orient <strong>und</strong> Okzident, welcher der Sieg<br />

Octavianus zu einer neuen Sinngebung verholfen habe:<br />

Dem Occident hat die Geschichte die Aufgabe zugewiesen, durch die<br />

reinere <strong>und</strong> keuschere Naturanlage seiner Völker das höhere demetrische<br />

Lebensprinzip zum dauernden Siege hindurchzuführen <strong>und</strong> dadurch<br />

die Menschheit aus den Fesseln des tiefsten Tellurismus, in<br />

dem sie die Zauberkraft der orientalischen Natur festhielt, zu befreien.<br />

670<br />

669 GW II, S. 40f.<br />

670 GW II, S. 43.

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