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III. Die Antike und ihre Nachtseite

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hen. <strong>Die</strong> Nähe zur romantischen Bewegung in Heidelberg, deren wichtigsten An-<br />

sätze in seinen Schriften deutlich erkennbar sind, <strong>und</strong> die Widerlegung des tradi-<br />

tionellen Bildes der antiken Religion, welche daran nicht durch dichterische Spe-<br />

kulationen, sondern durch eine Untersuchung <strong>und</strong> Auslegung der alten Quellen<br />

anschloß, galten der damaligen gebildeten Welt <strong>und</strong> der Altertumswissenschaft als<br />

Provokation <strong>und</strong> entfachten einen heftigen Streit, 590 welcher ein halbes Jahrhun-<br />

dert später anläßlich der Veröffentlichung von Nietzsches Geburt der Tragödie<br />

wiederaufflammte. Zutreffend merkt Gockel dazu: „Eine ‚neue Mythologie‘ hatte<br />

Creuzer mit seinem historischen Vorhaben sicherlich nicht im Sinn. Aber er hat<br />

Kriterien an die Hand gegeben für die Beurteilung der alten Mythologie im Hin-<br />

blick auf <strong>ihre</strong> für das mythische Bewußtsein konstitutiven Bestandteile [man den-<br />

ke dabei nur an Schelling].“ 591 Denn bei Creuzer müssen die historischen Belege<br />

die zwischen dem Unendlichen <strong>und</strong> den Endlichen angelegte Bedeutsamkeit des<br />

mythischen Bildes, dessen Überzeugungskraft plötzlich wie eine Epiphanie auf-<br />

scheint <strong>und</strong> wirkt, beweisen. Nur den Eingeweihten, die in der Lage sind, das<br />

esoterische Symbol zu deuten <strong>und</strong> entziffern, erschließt sich der Bedeutungszu-<br />

sammenhang des Mythos in seiner vollen Evidenz <strong>und</strong> substantiellen Konstanz. In<br />

seiner Geschichte der Philologie (1921) bestreitet der princeps philologorum Wi-<br />

lamowitz das Gewicht der Symbolik nicht, empfindet jedoch mit Abneigung die<br />

aus faszinierenden, aber zu mystischen <strong>und</strong> nicht strikt wissenschaftlich haltbaren<br />

Theorien entstehende Gefahr, „auch wissenschaftliche Köpfe zu benebeln“. 592<br />

Wilamowitz unterstellt Creuzer einen unwissenschaftlichen Umgang mit den alten<br />

Quellen, die er, statt sie aus <strong>ihre</strong>r Zeit heraus zu verstehen, voreingenommen in<br />

einem kosmogonischen Zusammenhang auslegt, welcher sich in der Zentralität<br />

nur den Eingeweihten zugänglicher Mysterienkulten offenbart. Solche mystischen<br />

Vorstellungen sind für jeden ernsten Altphilologen an sich unwichtig oder doch<br />

nur von Interesse, solange man sie wissenschaftlich in <strong>ihre</strong>r historischer Gebun-<br />

589 F. Creuzer, a. a. O., Bd. 4, S. 519.<br />

590 <strong>Die</strong> wichtigsten Dokumente dieses Streits sind in: E. Howald (Hrsg.), Der Kampf<br />

um Creuzers Symbolik. Eine Auswahl von Dokumenten, Tübingen 1926, zu lesen.<br />

591 H. Gockel, „Mythologie als Ontologie“, a. a. O., S. 41.<br />

592 U. von Wilamowitz-Moellendorff, Geschichte der Philologie, mit einem Nachwort<br />

<strong>und</strong> Register von Albert Henrichs, 3. Auflage, Neudruck der Erstauflage von 1921,<br />

Stuttgart/Leipzig 1998, S. 50.

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