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III. Die Antike und ihre Nachtseite

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Symbolik des dionysischen Kults bezeichnet. Ein Vergleich zwischen den ver-<br />

schiedensten Religionen <strong>und</strong> Kulten ergäbe, daß jeder Glauben auf der Koexistenz<br />

von Leben <strong>und</strong> Zerstörung, Verjüngung der Welt <strong>und</strong> Todesdrang, Licht <strong>und</strong><br />

Nacht ruht <strong>und</strong> daß „nicht bloß im Menschen, sondern auch im Thier, Grausam-<br />

keit <strong>und</strong> Wollust des Geschlechts, (…) eben so wie Tod <strong>und</strong> Zeugung nahe ver-<br />

wandt <strong>und</strong> neben einander sind.“ 578 <strong>Die</strong>se Identität bildete das Kernstück der My-<br />

sterien <strong>und</strong> die tiefste Botschaft jeder Religion, die christliche nicht<br />

ausgeschlossen.<br />

Es ist an dieser Stelle auf das Bekanntwerden der Veda <strong>und</strong> auf die ungeheure<br />

Aufwertung der indischen Mythologie zu verweisen. 1784 hatte William Jones die<br />

Asiatic Society of Bengal gegründet, die durch die Asiatic Researches in zwanzig<br />

Bänden einen entscheidenden Beitrag zur Entdeckung der indischen Kultur lei-<br />

stete. Parallel dazu übersetzten Jones <strong>und</strong> seine Fre<strong>und</strong>e Colebrooke, Wilson <strong>und</strong><br />

Wilkins in der Zeit 1788-1839 wichtige Texte der indischen Tradition, wie die<br />

Rig-Veda. Sie wiesen als erste auf die Ähnlichkeiten zwischen indischer, griechi-<br />

scher <strong>und</strong> römischer Mythologie hin. 579 Man dachte dabei an den Abglanz einer<br />

Urweisheit, welche als unmittelbare Offenbarung der Gottheit erscheine; dieser<br />

Glauben ruhte freilich auf einer falschen Einschätzung des Alters der eigentlich<br />

erst aus dem 4. Jahrh<strong>und</strong>ert vor Christus stammenden Veden. „<strong>Die</strong> Sanskrit-<br />

Forschung erweckte die Neigung, in den vergangenen, untergangenen Kulturen<br />

etwas dem Heutigen Gleichwertiges, wenn nicht Überlegenes zu sehen.“ 580 Auch<br />

die angefertigten Übersetzungen waren aufgr<strong>und</strong> mangelhafter Sprachkenntnisse<br />

sehr dürftig <strong>und</strong> konnten nur einen vagen Eindruck von der brahmanischen Göt-<br />

terlehre vermitteln: <strong>Die</strong> erste englische Übersetzung der Upanishaden datiert in<br />

die Jahre 1816-1819 <strong>und</strong> die der Rig-Veda in das Jahr 1838. Was Creuzer <strong>und</strong><br />

seine Zeitgenossen zur Kenntnis nehmen konnten, waren späte hinduistische<br />

Schriften, in denen man frühere vedische Schichten wiederzuerkennen glaubte.<br />

Über die so hochgeschätzte indische Religion wußte Creuzer im Gr<strong>und</strong>e nur we-<br />

nig. In den pythagoreischen <strong>und</strong> orphischen Schriften aus der späten griechischen<br />

1818, S. 58-85.<br />

578 Ebenda, S. 80.<br />

579 Vgl. dazu M. Münch, a. a. O., S. 19f. <strong>und</strong> J. de Vries, „Friedrich Creuzer (1771-<br />

1858)“, in: Antaios 3 (1962), S. 345f.<br />

580 K. Hübner, <strong>Die</strong> Wahrheit des Mythos, München 1985, S. 72.

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