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III. Die Antike und ihre Nachtseite

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mit dem Ei der Mysterien vergleichbare Funktion übernehmen, denn „die Ge-<br />

schlechtsverbindung ist stets das dionysische Gr<strong>und</strong>gesetz, dessen Ver-<br />

wirklichung.“ 679 In der Gräbersymbolik, wie später in dem Mutterrecht, unterhält<br />

Dionysos ein besonderes Verhältnis zum weiblichen Wesen: „Darum tritt Diony-<br />

sos nicht wie der in höherer Lichtreinheit waltende Apollo einsam <strong>und</strong> ge-<br />

schlechtslos auf, sondern stets in Verbindung mit weiblichen Wesen, in welchen<br />

er zu wirken durch seine phallische Natur angewiesen wird.“ 680 Hingegen verkör-<br />

pert Apollo das reine Lichtprinzip, dem die Vergeistigung des stofflichen Urmut-<br />

tertums gelungen ist.<br />

6. Fazit<br />

In dem vorliegenden Kapitel ist der Versuch unternommen worden, neue<br />

Aspekte in der Rezeption der antiken Kultur <strong>und</strong> in <strong>ihre</strong>r Erklärung im Schnitt-<br />

punkt zwischen Philosophie, Altertumswissenschaft <strong>und</strong> Literaturtheorie im 19.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert zu beleuchten. <strong>Die</strong> frühromantische Kritik an der als abstrakt <strong>und</strong><br />

analytisch empf<strong>und</strong>enen aufklärerischen Rationalität führt zur Aufstellung einer<br />

,Neuen Mythologie‘, welche die Zerstörung jeglicher Legitimation des Gemein-<br />

wesens durch die Unterminierung des analytischen Denkens in eine neue, von<br />

Dichtern <strong>und</strong> Schriftstellern erf<strong>und</strong>ene Form der Legitimation aufheben will. Da-<br />

bei erscheint die klassische Welt als ein noch wirksames Paradigma, nicht im Sin-<br />

ne einer starren Nachahmung, sondern als Wegweiser <strong>und</strong> Vorbild für die Stiftung<br />

einer neuen Gesellschaft, in deren Rahmen Harmonie <strong>und</strong> Übereinkunft der Mit-<br />

glieder über die Zwecke <strong>ihre</strong>s Gemeinwesens noch walten können <strong>und</strong> welche die<br />

Moderne durch Besinnung auf die produktivsten Kräfte <strong>ihre</strong>r eigenen Zeit wieder-<br />

beleben müsse. Ausdruck dieser Rechtfertigung war der Schatz der griechischen<br />

Mythologie, welche in der tragischen Gattung <strong>und</strong> in <strong>ihre</strong>m „ungetrennte[n] Ineins<br />

von Kunstwerk, Gottesdienst <strong>und</strong> politischer Selbstdarstellung des Staates“ 681 eine<br />

679<br />

GW IV, S. 40.<br />

680<br />

GW IV, S. 82.<br />

681<br />

M. Frank, Gott im Exil. Vorlesungen über die Neue Mythologie, Teil II, Frankfurt<br />

a. M. 1988, S. 11.

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