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III. Die Antike und ihre Nachtseite

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tochtonen, jeden orientalischen Einfluß abweisenden Charakter der griechischen<br />

Religion <strong>und</strong> Kultur versucht Müller anhand der Theorie einer Apollonreligion<br />

nachzuweisen. Apollon symbolisiert dabei die ursprüngliche, von orientalischen,<br />

pelasgischen Zügen freie, dorische Reinheit <strong>und</strong> Einheitlichkeit in jeder religiösen,<br />

politischen <strong>und</strong> kulturellen Erscheinung, ganz im Gegenteil zu anderen griechi-<br />

schen Stämmen wie etwa den Joniern. <strong>Die</strong> Charakterisierung des Apollonkults<br />

stimmt in manchem mit Winckelmann überein:<br />

Eine Hauptabsicht des Apollinischen Cultus war, das ruhige Gleichgewicht<br />

des Gemüths zu erhalten, <strong>und</strong> alles Sinnzerrüttende, zum<br />

Taumel Aufregende, die innre Klarheit Verdunkelnde zu entfernen.<br />

Der Dorische Sinn will überall eine reine <strong>und</strong> klare Harmonie,<br />

die auch im Kleinsten harmonisch sei. 612<br />

Durch die schon der <strong>Antike</strong> bekannte Gleichsetzung von ,dorisch‘ <strong>und</strong><br />

,spartanisch‘ erhält diese angeblich ethnische, kulturelle <strong>und</strong> religiöse Ureinheit<br />

eine zusätzliche kriegerische Dimension. <strong>Die</strong>se Auffassung des Dorertums ist an-<br />

gesichts späterer Untersuchungen <strong>und</strong> Entdeckungen unhaltbar geworden. Müller<br />

bescheinigt dem dorischen Volk eine gr<strong>und</strong>legende Distanz zu den Dionysos- <strong>und</strong><br />

Demetermysterien, die hingegen den Kern der früheren griechischen Religion ge-<br />

bildet hätten.<br />

<strong>Die</strong> dorischen Charaktereigenschaften spiegelten sich in der dorischen Kunst,<br />

vor allem in der dorischen Architektur, deren Gipfel der dorische Tempel sei: <strong>Die</strong>-<br />

ser vermittle einen „Eindruck von Mächtigkeit <strong>und</strong> Bestimmtheit“, „das Gefühl<br />

einfacher Größe“, „eine über dem Ganzen verbreitete Klarheit“; „so spricht sich in<br />

dieser Kunstschöpfung der dem Stamme eigene Sinn für strenges Gesetz, einfa-<br />

Basel mehrmals aus.<br />

612 K. O. Müller, <strong>Die</strong> Dorier, 2 Bde., Breslau 1824, Bd. 2, S. 405. Dem ausführlichen<br />

Kommentar zu Friedrich Nietzsche ,<strong>Die</strong> Geburt der Tragödie aus dem Geist der Musik‘<br />

(Kap. 1-12) von B. von Reibnitz, Stuttgart/Weimar 1992, S. 107, verdanke ich den Hinweis<br />

auf Friedrich Schlegels Beschreibung der Dorier in Von den Schulen der griechischen<br />

Poesie, ein Bindeglied zwischen Winckelmann <strong>und</strong> Müller: „<strong>Die</strong> Dorier waren<br />

gewissermaßen der ältere, reinere, nationalste Griechische Stamm, <strong>und</strong> die beiden eigentümlichsten<br />

Produkte des Griechischen Geistes. Gymnastik <strong>und</strong> Musik, sind größtenteils<br />

ein Werk der Dorier. Es ist nicht von der ersten Erfindung die Rede, aber die Dorier<br />

vorzüglich gaben ihnen Gestalt, Bildung, Vollendung […]. Der beste Kommentar zum<br />

Studium dieser Schule ist der Charakter der Dorier selbst […], welchen man aus dem<br />

Thucydides <strong>und</strong> auch aus dem Pindar kennen lernt. Der Ton <strong>ihre</strong>r Sittlichkeit war Größe,<br />

Einfalt, Ruhe; friedlich <strong>und</strong> doch heldenmüthig, lebten sie in einer edeln Freude.“ In: KA<br />

I, S. 8 <strong>und</strong> 10.

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