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III. Die Antike und ihre Nachtseite

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199<br />

len, religiös vereinigten Menschengemeinde ankündigt <strong>und</strong> dessen Funktion die<br />

Dichter <strong>und</strong> die Philosophen mit kühnen Parallelen, theologischen Vorstellungen<br />

<strong>und</strong> revolutionärem Elan zu ergründen <strong>und</strong> zu verbildlichen getrachtet hatten, wird<br />

nun zum Gegenstand wissenschaftlicher, wenn auch nicht methodisch einwand-<br />

freier Forschung. Selbst die Mythenforschung hat sich nach Creuzer gewandelt,<br />

denn „nicht nur hat erst mit der historischen Kritik die ,Selbstverständlichkeit des<br />

Mythologischen‘ ihr wahres Ende gef<strong>und</strong>en, sondern die Mythologie ist um 1830<br />

auch institutionell ortlos geworden. Bis 1825 waren Creuzer <strong>und</strong> andere Altphi-<br />

lologen <strong>und</strong> Archäologen in einer Person; um 1830 gliederten sich dann aus der<br />

philologisch orientierten Altertumswissenschaft die Disziplinen der Altphilologie,<br />

Althistorie, Archäologie, Kunstgeschichte <strong>und</strong> besonders die Religionsgeschichte<br />

aus.“ 587<br />

<strong>Die</strong> neue, fremde, dionysische Religion setzt sich in Griechenland freilich<br />

nicht ohne heftigen Widerstand des schon vorhandenen Apollonkults durch; nach<br />

anfänglichen Auseinandersetzungen kommt es zu einer Versöhnung innerhalb der<br />

orphischen Mysterien, wo man deshalb sowohl das Instrument des neuen Gottes,<br />

die Flöte, als auch jenes des alten, die Kithara, spielt; daß solche Gedanken Nietz-<br />

sches Theorien vorgreifen, liegt auf der Hand. 588 Der dreigestaltige Dionysos der<br />

orphischen Mysterien zeige deutliche Ähnlichkeit mit dem Osiris-Kult in Ägypten<br />

<strong>und</strong> mit kleinasiatischen Gottheiten. Im vierten Buch sieht Creuzer sich mit der<br />

Mysterienreligion der Hellenen <strong>und</strong> <strong>ihre</strong>r Ähnlichkeit mit dem Christentum kon-<br />

frontiert; in Eleusis sei eine Vergeistigungstendenz des Heidentums bemerkbar,<br />

die zuerst zur Philosophie <strong>und</strong> danach zur christlichen Religion direkt führe. Der<br />

nur den Eingeweihten zugängliche Kern der Mysterien bilde „die Wahrheiten vom<br />

Einen <strong>und</strong> ewigen Gotte, von der Welt <strong>und</strong> von des Menschen Bestimmung, […]<br />

die Lehre von der Palingenesie <strong>und</strong> Unsterblichkeit der Seele“ ab. 589<br />

Creuzers Werk stellt einen der letzten <strong>und</strong> umstrittensten Versuche dar, eine<br />

umfassende Altertumswissenschaft zu betreiben, <strong>und</strong> erregte daher großes Aufse-<br />

586 M. Münch, a. a. O., S. 89.<br />

587 Ch. Jamme, a. a. O., S. 83.<br />

588 Obwohl Nietzsche Creuzer nie erwähnt, steht sein Einfluß auf ihn außer Zweifel.<br />

Nietzsche hat die Symbolik während der Arbeit an der Geburt der Tragödie aus der Bibliothek<br />

der Universität Basel entliehen; ein Exemplar davon befindet sich unter seinen<br />

Büchern in Weimar.

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