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III. Die Antike und ihre Nachtseite

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Mysterienlehre 572 enthaltenen Verheißung. Dennoch ist die christliche Religion<br />

zweitausend Jahre nach der Ankunft Christi noch nicht vollendet: das Reich Got-<br />

tes soll noch kommen. <strong>Die</strong> frohe Botschaft Christi müsse erst noch verwirklicht<br />

werden: <strong>Die</strong> christliche Kirche kenne in dieser Hinsicht ebenfalls drei Weltalter:<br />

das des Petrus, das paulinische <strong>und</strong> das noch kommende johanneische, weil Jo-<br />

hannes der Apostel der gemeinschaftlich erlebten Religion, des Gemeinde-Geistes<br />

sei. Christus erscheint wie Dionysos als kommender Gott, welcher mit seinem<br />

endgültigen, lang ersehnten Advent <strong>und</strong> der Aufrichtung des Reiches Gottes der<br />

Religion <strong>und</strong> den Zeiten ein Ende setzen werde:<br />

Johannes ist der Apostel der zukünftigen, erst wahrhaft allgemeinen<br />

Kirche, jenes zweiten, neuen Jerusalems, das er selbst herabsteigen<br />

sah vom Himmel, zubereitet wie eine geschmückte Braut <strong>ihre</strong>m Manne,<br />

jener nichts mehr ausschließenden Stadt Gottes (ein bis dahin<br />

fortdauernder Gegensatz), in die Heiden <strong>und</strong> Juden gleich eingehen,<br />

in der Heidenthum <strong>und</strong> Judenthum gleich begriffen sind, die ohne beschränkenden<br />

Zwang, ohne äußere Auktorität, welcher Art sie sey,<br />

durch sich selbst besteht, weil jeder freiwillig herbeikommt, jeder<br />

durch eigne Ueberzeugung, indem sein Geist in ihr eine Heimath gef<strong>und</strong>en,<br />

zu ihr gehört. Und gerade darum war Johannes auch der<br />

Liebling des Herrn, den dieser sich immer am nächsten hielt; denn die<br />

der Herr liebt, denen gibt er das Geschäft des Vollenders. 573<br />

3. Creuzers Symbolik<br />

Schellings spätes, im wesentlichen religiös geprägtes Mythosverständnis ver-<br />

dankt wichtige Anregungen dem Werk eines Gelehrten aus dem altertumswissen-<br />

schaftlichen Bereich: Georg Friedrich Creuzer (1771-1858). Durch ihn <strong>und</strong> die<br />

Heidelberger ,religiöse‘ Romantik wandelt sich die Dionysos-Figur anhand zahl-<br />

reicher Quellen <strong>und</strong> Belege aus der zeitgenössischen Altertumswissenschaft vom<br />

Gott des Weins <strong>und</strong> der Freude zum Gott der Mysterien, zur Verkörperung der<br />

dunklen Seite des heiteren <strong>und</strong> ausgeglichenen griechischen Pantheons. Mithin<br />

schlägt das Bild der heiteren griechischen Religion beinah in sein Gegenteil um.<br />

<strong>Die</strong> olympische Religion wurzelt nun in einer älteren Schicht von chthonischen<br />

se Optionen geblieben.<br />

572 Zur Überprüfung <strong>und</strong> Neudefinierung dieses Begriffs vgl. W. Burkert, ebenda, S.<br />

56ff. 573 SW II/4, S. 328

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