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III. Die Antike und ihre Nachtseite

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Geschichtsdeutung zu bewerten, denn er allein erteile über die Anfänge der histo-<br />

rischen Ereignisse <strong>und</strong> der Institutionen Auskunft, von denen keine schriftlichen<br />

Quellen überliefert worden seien. <strong>Die</strong>sem methodischen Vorhaben gemäß unter-<br />

sucht Bachofen einen ursprünglichen gesellschaftlichen <strong>und</strong> juristischen Zustand<br />

der Menschen, das Mutterrecht, die Frauenherrschaft, welche erst später in das<br />

Vaterrecht übergangen sei. Das Mutterrecht wird dem Orient, das Vaterrecht dem<br />

Okzident zugeordnet. Das erste steht unter dem Zeichen des Dionysos, des Frau-<br />

engotts, das zweite unter demjenigen des Apolls, des klaren Lichtprinzips. Der<br />

Orient erhält bei Bachofen die Züge der Unsittlichkeit <strong>und</strong> der Ausgelassenheit,<br />

während der Okzident als das Reich der Sittsamkeit <strong>und</strong> der Ordnung erscheint.<br />

Insgesamt betrachtet Bachofen den Sieg des Vaterrechts als Errungenschaft für die<br />

Menschheit <strong>und</strong> als positives Ergebnis. <strong>Die</strong> Beschreibung des Dionysos-Kults er-<br />

hält bei Bachofen eine bisher unerhörte, stark erotische Konnotation negativen<br />

Zeichens, die den politischen <strong>und</strong> religiösen Überzeugungen des Autors ent-<br />

spricht. <strong>Die</strong> Gräbersymbolik ruht auf der Feststellung der Identität zwischen Mut-<br />

terkult <strong>und</strong> Totenkult, die man aus der Symbolik der Bilder der alten Grabstätten<br />

entlehnen könne <strong>und</strong> die den eigentlichen Kern der Mysterien darstellte. Der My-<br />

thos habe daher die Funktion, die Erinnerung an die dunkeln Vorstadien der<br />

menschlichen Geschichte <strong>und</strong> an den chthonischen Gr<strong>und</strong> des homerischen Pan-<br />

theons zu bewahren. Dionysos befinde sich mit seinem Symbol des Phallos in<br />

Verbindung mit der Mutter Erde, der zeugenden Kraft, während der ihm entge-<br />

genstehende Apollon die Vergeistigung des Urmuttertums repräsentiere.<br />

Ob diese Ansichten <strong>und</strong> neuen Perspektiven mit den Forschungsmethoden der<br />

Altertumswissenschaft auf Dauer vereinbar waren, soll im Laufe der vorliegenden<br />

Arbeit noch differenzierter untersucht werden.

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