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III. Die Antike und ihre Nachtseite

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179<br />

kenden Vernunft aufzuheben <strong>und</strong> uns wieder in die schöne Verwirrung der Phan-<br />

tasie, in das ursprüngliche Chaos der menschlichen Natur zu versetzen“. 530 Darin<br />

bestehe „der Anfang aller Poesie“. Trotz allem könne diese neue Mythologie von<br />

keiner historisch oder geographisch beliebigen anderen abgeleitet werden, sondern<br />

sie müsse neu aus dem Nichts hervorgebracht werden:<br />

Aus dem Innern herausarbeiten das alles muß der moderne Dichter,<br />

<strong>und</strong> viele haben es herrlich getan, aber bis jetzt nur jeder allein, jedes<br />

Werk wie eine neue Schöpfung von vorn an aus Nichts – 531<br />

Das bunte Gewimmel der alten Götter spiegelt nämlich die absolute Objekti-<br />

vität wider, unter deren Vorzeichen sich die griechische Welt befand. <strong>Die</strong>se Ob-<br />

jektivität entsprang <strong>ihre</strong>rseits dem glücklichen Zustand der <strong>Antike</strong>, die keine<br />

Trennung zwischen Subjekt <strong>und</strong> Objekt gekannt hatte. Charakteristik dieser Götter<br />

war nämlich <strong>ihre</strong> allgemeine Mitteilbarkeit, da sie Natur-Gottheiten waren, un-<br />

mittelbarer Ausdruck dieser Einheit des Subjektiven mit dem Objektiven. Der<br />

analytische Geist der Moderne hat das Bewußtsein dieser Identität in die abstrakte<br />

<strong>und</strong> nicht unmittelbar sinnlich anschauliche Welt der Reflexion verbannt. Nun<br />

aber hat die Philosophie des neuen Zeitalters (Idealismus) sichtbar gemacht, daß<br />

aus dem Geist Natur hervorgehen <strong>und</strong> die Naturwirklichkeit als organisch verfaßte<br />

Entität im <strong>Die</strong>nste der Ideen stehen kann: „Kann eine neue Mythologie sich nur<br />

aus der innersten Tiefe des Geistes wie durch sich selbst herausarbeiten, so finden<br />

wir einen sehr bedeutenden Wink <strong>und</strong> eine merkwürdige Bestätigung für das was<br />

wir suchen in dem großen Phänomen des Zeitalters, im Idealismus.“ 532 <strong>Die</strong> Ent-<br />

faltung des Realismus aus dem Idealismus entspricht deshalb der Entäußerung des<br />

Geistes in der Natur; dieser Prozeß ermöglicht die Versöhnung von analytischem<br />

Geist <strong>und</strong> materiellen Inhalten, die sich in den Göttern unmittelbar anschaulich<br />

gemacht hat. „<strong>Die</strong> Natur ist Bild des Geistes, die Philosophie Bild dieser Verbild-<br />

lichung“, 533 insofern ist die Mythologie hieroglyphische Sprache der Natur. Das<br />

ist die in der folgenden Stelle gemeinte Vorbedeutung:<br />

Das graue Altertum wird wieder lebendig werden, <strong>und</strong> die fernste Zukunft<br />

der Bildung sich schon in Vorbedeutungen melden. Doch das ist<br />

530<br />

Ebenda, S. 319.<br />

531<br />

Ebenda, S. 312.<br />

532<br />

Ebenda, S. 313.<br />

533<br />

G. von Graevenitz, Mythos. Zur Geschichte einer Denkgewohnheit, Stuttgart<br />

1987, S. 37.

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