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III. Die Antike und ihre Nachtseite

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215<br />

Der Annahme orientalischer Einflüsse auf die griechische Kultur gegenüber<br />

verhält sich Friedrich Gottlieb Welcker (1784-1868) in seiner Griechischen Göt-<br />

terlehre 633 (1857-1863, 3 Bde.) genauso ablehnend wie Müller. Schon in der Vor-<br />

rede zu seinem Buch bestreitet Welcker die Theorie einer starken Abhängigkeit<br />

der griechischen Religion von der orientalischen <strong>und</strong> unterstreicht <strong>ihre</strong> Eigenstän-<br />

digkeit, Originalität <strong>und</strong> Überlegenheit. <strong>Die</strong>se Absonderung des Griechischen von<br />

dem Orientalischen, die auf den Ergebnissen der indogermanischen Sprachfor-<br />

schung <strong>und</strong> auf deren unkritischer Übertragung auf den ethnologischen Bereich<br />

beruht, folgt aus der Zuordnung der Griechen zu einer indoeuropäischen,<br />

,arischen‘ Völkerfamilie <strong>und</strong> erfährt somit einen unverkennbaren ,rassistischen‘<br />

Unterton; sie wird von Welcker an der folgenden Stelle deutlich aufgegriffen :<br />

Von der neuen vergleichenden Sprachwissenschaft aus ist ein großes<br />

Licht auf alle Geschichte <strong>und</strong> Mythologie gefallen, besonders auch<br />

auf die Griechische. […] <strong>Die</strong> Religionen dieser Völkerfamilie [<strong>Die</strong><br />

arische oder indoeuropäische, von der hier die Rede ist] haben eine<br />

allgemeine Übereinstimmung in <strong>ihre</strong>m Bezug zur Natur <strong>und</strong> zum Polytheismus,<br />

wodurch sie sich stark von den Semiten unterscheiden<br />

[…] <strong>Die</strong> besondre Natur beider Stämme, auch der Boden, dann die<br />

Stufen der Entwicklung der Gedanken waren verschieden.“ 634<br />

Um die Autochthonie der Griechen um jeden Preis zu demonstrieren, scheut<br />

Welcker auch nicht einmal vor der etymologisierenden Mythologie zurück, derer<br />

er sich zwar gegen die Absichten <strong>ihre</strong>r Begründer (Kanne, Schelling) nicht be-<br />

dient, um die Einheitlichkeit der religiösen Vorstellungen aller Völker zu er-<br />

schließen, sondern ganz im Gegenteil, um die rein griechische Herkunft der helle-<br />

nischen Götter zu beweisen. <strong>Die</strong> Ergebnisse dieser übertriebenen Namensdeutung<br />

sind ebensowenig haltbar wie jene der Romantiker: Welcker schlägt einfach ins<br />

andere Extreme um.<br />

Welcker behauptet, daß „die Griechische Mythologie in <strong>ihre</strong>r Entwicklung aus<br />

den einfachsten <strong>und</strong> fernhaftesten Ideen <strong>und</strong> Naturanschauungen, aus <strong>ihre</strong>n eignen<br />

Knotenpunkten hervor, einen natürlichen, durchgängigen, durch fremdartige Be-<br />

633 Über den Titel, der schon Welckers Zeitgenossen etwas altmodisch klingen mußte:<br />

A. Henrichs, „Welckers Götterlehre“, in: W. M. Calder <strong>III</strong>/A. Köhnken/W. Kullmann/G.<br />

Pflug (Hrsg.), a. a. O., S. 188ff: Götterlehre bezeichnet „die Summe der Wertinhalte,<br />

welche die Griechen in <strong>ihre</strong>n Göttern verkörpert sahen <strong>und</strong> ihnen in der<br />

mündlichen Tradition, in der Kunst <strong>und</strong> in der Literatur dementsprechend zuschrieben.“<br />

Ebenda, S. 189.<br />

634 F. G. Welcker, Griechische Götterlehre, 3 Bde., Göttingen 1857-1863, Bd. 1, S.

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