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III. Die Antike und ihre Nachtseite

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175<br />

dargestellten Menschlichen schön“. 515 Auf seine Jugendschriften rückblickend,<br />

schrieb er 1822 in seiner Untersuchung zum Wesen der Schönheit bei der alten<br />

Kunst, er sei bei der Bestimmung des Begriffs des Schönen bei den Griechen von<br />

der Idee der göttlichen Fülle <strong>und</strong> Mannigfaltigkeit ausgegangen. Infolgedessen sei<br />

das Schöne nicht mehr vom Wahren <strong>und</strong> Guten getrennt; Schlegel betont aber an<br />

dieser Stelle seine Sonderstellung im Rahmen der zeitgenössischen Philosophie,<br />

wo Fülle <strong>und</strong> Einheit bloß als Begriffe aufgefaßt wurden. Er habe hingegen damit<br />

„die unendliche Fülle des Lebens der schöpferischen Natur, in der anwachsenden<br />

Schöne <strong>ihre</strong>r unermeßlich herrlichen Entfaltung“ 516 gemeint.<br />

Das Nachdenken über das Verhältnis von <strong>Antike</strong> <strong>und</strong> Moderne erweitert sich<br />

mit der Ergänzung durch einen anderen terminus comparationis: den Orient. Das<br />

Interesse für das Morgenland, das Schlegel nach dem Studium-Aufsatz weiter ver-<br />

tieft <strong>und</strong> das ihn zum Erlernen des Persischen <strong>und</strong> des Indischen während des Pa-<br />

riser Aufenthalts veranlassen wird, tut sich in einem der Fragmente aus dem<br />

Nachlaß k<strong>und</strong>:<br />

Der Charakter des Alterthums ist Plastik, Gymnastik<br />

Architektur – der Modernen Pictur <strong>und</strong> Musik –<br />

Charakter des Occidents = Philosophie, Poesie; des Orients<br />

= Religion. 517<br />

<strong>Die</strong> Anziehungskraft, welche der Orient auf Schlegel ausübt, ist in der Vor-<br />

stellung seiner mystischen Ganzheit zu ergründen, die anfangs des neuen Jahrhun-<br />

derts beginnt, im Mittelpunkt von Schlegels Denken zu stehen. <strong>Die</strong> Auslegung des<br />

oben zitierten Fragments bereitet im übrigen viele Schwierigkeiten, denn es ist<br />

nicht klar, ob diese geographischen oder historischen Gegensätze zusammenfallen<br />

oder sich einfach überschneiden, das heißt, ob der Gegensatz Orient-Okzident<br />

demjenigen von Altertum-Moderne entspricht oder nicht. Im ersten Fall würde das<br />

der These eines orientalischen Ursprungs der griechischen Kultur gleichkommen.<br />

Das Verhältnis zwischen diesen Begriffspaaren ist, wie auch Szondi behauptet, 518<br />

komplizierter, zumal sich eine Periodisierung der Geschichte in drei Epochen<br />

(Orient, Griechen <strong>und</strong> Römer) in den Fragmenten 336 <strong>und</strong> 338 ankündigt: „<strong>Die</strong><br />

515 E. Behler, „<strong>Die</strong> Auffassung des Dionysischen durch die Brüder Schlegel <strong>und</strong><br />

Friedrich Nietzsche“, in: Nietzsche-Studien 12 (1983), S. 347.<br />

516 KA I, S. 34, Anm. 1.<br />

517 KA XV<strong>III</strong>, S. 389, Fr. 829.

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