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III. Die Antike und ihre Nachtseite

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Beherrschung der zur Geschichtsschreibung unentbehrlichen Hilfswissenschaften<br />

(Epigraphik, Papyrologie, Topographie, Rechtswissenschaft, Münzwesen), die ei-<br />

ner erschöpfenden Gesamtdarstellung der antiken (insbesondere römischen) Welt<br />

in <strong>ihre</strong>r vielfältigen Erscheinungsformen dienen. Wilamowitz zollt ihm Ehre: „An<br />

seinen kleinen Schriften lernen Philologen, Historiker, Juristen, wie sie ihr Hand-<br />

werk betreiben sollen. Noch ist diese Lehre auf keinem Gebiete überw<strong>und</strong>en, denn<br />

die Berichtigung von einzelnen Ergebnissen beeinträchtigt die Wirkung des Gan-<br />

zen nicht. Daß wir die römische Geschichte von Romulus bis Caeasar jetzt ganz<br />

anders ansehen, als er sie erzählt hat, danken wir ihm selbst mehr als irgendeinem<br />

anderen.“ 647 Wilamowitz bleibt aber auch nicht verborgen, daß die gr<strong>und</strong>legende<br />

Römische Geschichte <strong>und</strong> manch andere geschichtswissenschaftliche Leistung<br />

Mommsens neben <strong>ihre</strong>m meisterhaften Umgang mit den Quellen <strong>und</strong> dem rigoro-<br />

sen philologischen procedere ein starkes „Hineinziehen politischer Theorien der<br />

Gegenwart“, 648 vor allem des Liberalismus, verraten. <strong>Die</strong> Modernität von Momm-<br />

sens Geschichtsschreibung wirkte auf viele seiner Zeitgenossen geradezu schok-<br />

kierend, denn er griff auf die politischen Ansätze <strong>und</strong> Begrifflichkeiten seiner Zeit<br />

zurück, um die Komplexität althistorischer Phänomene <strong>und</strong> Institutionen richtig<br />

zu deuten <strong>und</strong> die Aufgabe des Forschers nicht bloß in der quellenkritischen Bear-<br />

beitung der geschichtlichen Zeugnisse enden zu lassen. <strong>Die</strong> Anknüpfung an die<br />

moderne gesellschaftliche Praxis in der Geschichtsdeutung <strong>und</strong> die Vergegenwär-<br />

tigung der alten Geschichte unter Rückgriff auf moderne Kategorien <strong>und</strong> Ideale<br />

ermöglichten nicht zuletzt der Wissenschaft, einer wichtigen Bildungs- <strong>und</strong> Ori-<br />

entierungsfunktion in der Gesellschaft gerecht zu werden. 649 In seinem historio-<br />

graphischen Werk spiegelt Mommsen folglich die politischen <strong>und</strong> gesellschaftli-<br />

chen Überzeugungen eines großen Teils des deutschen Bürgertums <strong>und</strong> dessen<br />

Forderungen nach nationaler Einheit wider: Seine Aufgabe als Historiker inter-<br />

pretiert er als „einen kulturellen Beitrag zur Einlösung dieser politischen Forde-<br />

S. 136-173.<br />

647 U. von Wilamowitz, a. a. O., S. 71. Zu Mommsens Biographie <strong>und</strong> Forschungstätigkeit<br />

vgl. den Abriß Christs, Von Gibbon zu Rostovtzeff, a. a. O., S. 84-118; s. auch<br />

ders., Römische Geschichte <strong>und</strong> deutsche Geschichtswissenschaft, a. a. O., S. 58ff.<br />

648 U. von Wilamowitz-Moellendorff, a. a. O., S. 70.<br />

649 Vgl. F. Jaeger/J. Rüsen, a. a. O., S. 86ff. (Mommsens Stellung wird unter dem<br />

Stichwort „<strong>Die</strong> Preußisch-Kleindeutsche Schule“ analysiert).

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