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III. Die Antike und ihre Nachtseite

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Orient[alen] sind [organisch] die Griech[en] Abstr[akt] (Kunst) die Römer<br />

sind [chemisch]; daher ist <strong>ihre</strong> Geschichte jetzt an<br />

d[er] Tagesordnung.“. “<strong>Die</strong> ältesten Modernen sind organisch – Germaniens<br />

Mittelalter – die zweiten sind Abstrakt. – <strong>Die</strong> Alten <strong>und</strong> Neuen sind nicht Zeit-<br />

alter, Perioden sondern verschiedne Welten.“ 519 Der Orient erscheint hier also als<br />

Vorstadium der griechischen <strong>Antike</strong>, als erste Epoche der Menschheit, während<br />

das römische Erbe als ,chemische‘ Epoche den Vorboten der Moderne darstellt.<br />

Dabei lassen sich auch Brücken zwischen den verschiedenen Epochen der Men-<br />

schengeschichte schlagen, denn das Mittelalter ist die erste Form der Moderne, die<br />

Modernen sind ebenso organisch genannt wie die Orientalen, die neueren Moder-<br />

nen werden wie die Griechen ,abstrakt‘ bezeichnet. „Wenn die Alten nicht eine<br />

vergangene, durch die Neuen überholte Periode in der Geschichte bedeuten, son-<br />

dern eine andere Welt, dann kann <strong>ihre</strong> Zeit wiederkommen.“ 520 Wie aus den zi-<br />

tierten Fragmenten deutlich zu entnehmen ist, tritt das Religiöse in der Zeitspanne<br />

zwischen der Veröffentlichung des Studium-Aufsatzes <strong>und</strong> der Rede über die<br />

Mythologie (1800) deutlich in den Vordergr<strong>und</strong>, dabei immer in Verbindung mit<br />

dem Orient, Herkunftsland der Religionen <strong>und</strong> des kommenden Gottes stehend.<br />

Angesichts dieser engen Verflechtungen zwischen poetologischem Diskurs im<br />

Banne der querelle des anciens et des modernes <strong>und</strong> dem Interesse für die religiö-<br />

sen Phänomene der <strong>Antike</strong> ist die Definition der Rede über die Mythologie als<br />

„erster Mythos-Versuch mittels Ästhetik“ 521 nicht weiter verw<strong>und</strong>erlich. Das<br />

zeigt bereits <strong>ihre</strong> Einbettung ins Gespräch über die Poesie, von dem die Rede ei-<br />

gentlich nur den zweiten Teil bildet. <strong>Die</strong> Dichtung wurzelt hier auf „naturphiloso-<br />

phisch verstandener Natur“, 522 nicht auf der Geschichte <strong>und</strong> wird zum Teil eines<br />

ästhetischen Diskurses. <strong>Die</strong> Poesie kennt keine Grenzen <strong>und</strong> entzieht sich infolge-<br />

dessen jeglichem Definitionsversuch; auf Amalias Frage, ob alles letztendlich<br />

Poesie sei, antwortet Ludovico, daß „jede Kunst die Poesie, das Definierende<br />

518 P. Szondi, Poetik <strong>und</strong> Geschichtsphilosophie I, a. a. O., S. 141-144.<br />

519 Beide Fragmente in: KA XV<strong>III</strong>, S. 222.<br />

520 P. Szondi, Poetik <strong>und</strong> Geschichtsphilosophie I, a. a. O., S. 144.<br />

521 K. H. Bohrer, „Friedrich Schlegels Rede über die Mythologie“, in: Ders. (Hrsg.),<br />

Mythos <strong>und</strong> Moderne. Begriff <strong>und</strong> Bild einer Rekonstruktion, Frankfurt a. M. 1983, S.<br />

52. 522 Ebenda, S. 57.

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