zwei flüchtige begegnungen - Ein bisschen Meia
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<strong>Ein</strong>e Stunde wie ein Zeitalter<br />
Um der automatischen Hinwendung zu den mich am meisten beschäftigenden<br />
Problemen – aktuell in Bewegungslosigkeit erstarrte Zeitanzeigemechaniken und der<br />
Wunsch nach einem sofortigen Aufenthalt im eigenen Bett - weiträumig aus dem Weg zu<br />
gehen, beschloss ich an etwas anderes zu denken, wandte meine Gedanken den <strong>Ein</strong>drücken<br />
des vergangenen Abends in der Kneipe zu.<br />
„Das Bier hat ja heute wieder gut geschmeckt… Hmn, die Erinnerung daran… Aber das<br />
war ja zu erwarten, am Wochenende schmeckt es mir doch immer gut, außer sonntags, da<br />
trink ich lieber Mineralwasser, aber gegen einen gepflegten Gaststättenbesuch hat ja<br />
niemand etwas einzuwenden, ist ja auch voll gepflegt, solange ich nicht vom Hocker kippe<br />
oder einschlafe im Suff… Aber ein <strong>bisschen</strong> Spaß muss sein, das kann ja jeder verstehen,<br />
sogar meine Mutter, war auch wieder mal eine beschissene Woche, nur Niederlagen, da darf<br />
man ja am Weekend mal ein wenig weggehen… Ich strenge mich ja an wegen Lehrstelle,<br />
wie viele Absagen waren das diese Woche?... Neun, zehn oder elf? ... Keine Ahnung, zähl ja<br />
schon gar nicht mehr mit, aber ein Gutes haben die Absagen ja, denn wenigstens schicken<br />
sie die Unterlagen zurück, meistens jedenfalls, kann man sofort wieder verwenden, man<br />
braucht nur den Begleitbrief neu schreiben und dann den ganzen Packen an eine andere<br />
Firma schicken und wenn das dann wieder zurückkommt, gleiches Zeug, andere Firma…<br />
Krieg langsam Routine, eh, aber irgendwann muss es doch mal klappen, bin ja schon<br />
neunzehn, ach ja, in drei Monaten sogar zwanzig, hab´ aber immer noch keinen Beruf<br />
gelernt, ich will doch, wie sagt meine Mutter immer: „Wo nichts ist kann auch nichts<br />
werden“, stimmt voll, aber andermal sagt sie: „Wer arbeiten will, der kriegt auch Arbeit“…<br />
So ein Quatsch, Arbeit vielleicht, aber keine Lehrstelle, ich glaube, ich schreib mal an den<br />
neuen Bundeskanzler, vielleicht weiß der ja was… Wie heißt der noch mal? ... Kohl oder so<br />
glaub ich... Jedenfalls hat der im Fernsehen gesagt, dass jeder Jugendliche, der<br />
ausbildungswillig und –fähig ist eine Lehrstelle bekommt und das bin ich doch, oder watt?<br />
... Also haue ich den mal an „Eh Alta, haste mal nen Ausbildungsplatz oder so…“ … Hihi…<br />
Der wohnt doch hier in Bonn, im Kanzleramt, dem schreibe ich am Montag… Ja, datt ist ein<br />
guter Plan… Die Adresse müsste ja im Telefonbuch stehen, wenn ich in Kaldauen vom Bus<br />
nach Hause gehe, ist da ja eine Zelle auf dem Weg, da sind bestimmt auch Büchers drin, da<br />
schaue ich rein und schreibe mir die Adresse ab, aber vorher muss ich noch ein <strong>bisschen</strong><br />
Straßenbahn fahren… Apropos Straßenbahn, was sagt eigentlich die Uhr…“<br />
Fast instinktiv und ohne an meinen vorherigen Vorsatz zu denken, wanderte mein Blick<br />
in Richtung der Zeitanzeige. Erst als das Heben des Kopfes und die darauf folgende