zwei flüchtige begegnungen - Ein bisschen Meia
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Dichtung und Wahrheit<br />
Hintergrund eine Häuserfassade mit aneinandergereihten Ladenlokalen zu erkennen. In dieser<br />
Umgebung war ich selbst sehr oft gewesen, hatte diesen Fassadenanblick oft selbst gesehen<br />
und wusste daher genau, dass es sich um die Bonner Fußgängerzone handelte. Aber eine<br />
Freudenexplosion kam bei den durch die Ladenstraßen eilenden <strong>Ein</strong>kaufspassanten nicht in<br />
Frage, noch weniger die Auslösung eines Jubelsturms durch Anblick eines Punk, auch wenn<br />
er ein besonders attraktives Sonderangebot entdeckt und es lauthals verkündet hätte.<br />
<strong>Ein</strong>en Punk konnte ich aber nicht erkennen, sah nur normal aussehende Bürger in<br />
meistens untypischen Posen. Nur den unter dem Bürgerstapel liegenden Menschen konnte ich<br />
deutlich sehen. Sein unter diesem herausragendes Gesicht war durch den auf ihn lastenden<br />
Druck zu ist einer schmerzlichen Grimasse verzogen. Dies war bestimmt der „Punker“ (diese<br />
eingedeutschte Version des Wortes „der Punk“ verwendeten nur Menschen die von Punk<br />
keinerlei Ahnung hatten) der „gestellt“ worden war.<br />
<strong>Ein</strong>ige Sekunden lang betrachtete ich mit einer fragenden Mine das Bild, bis sich im<br />
Moment des Erkennens meine geschürzten Lippen in ein breites Grinsen verwandelten.<br />
Diesen Punk kannte ich gut, sah ihn fast jedes Wochenende und hatte schon oft mit ihm<br />
gesprochen. <strong>Ein</strong>deutig war es Volker, Bassist von „The Cosh“ und einer der ersten Bonner<br />
Punks die Achmed und ich Anfang des Jahres getroffen hatten.<br />
„Wie kommt Volker in so eine bescheuerte Lage?“ fragte ich mich halblaut, und las<br />
neugierig den unter dem Bild stehenden Text:<br />
„Bonn. Ohne Vorwarnung hatte am Donnerstagnachmittag ein Punker in der<br />
Wenzelgasse mit einer Gaspistole auf eine Gruppe junger Männer gefeuert. Durch<br />
den aus kürzester Entfernung abgegebenen Schuss wurde ein junger Mann<br />
erheblich verletzt. Danach flüchtete der Punker, konnte aber von beherzt die<br />
Verfolgung aufnehmenden Passanten bis zum <strong>Ein</strong>treffen der Polizei festgehalten<br />
werden. Die Folge: Festnahme.“<br />
Ich grinste erheitert. Dass Volker die Gaspistole mitgehabt hatte wunderte mich nicht,<br />
denn mittlerweile war der Besitz einer solchen und ihre Mitnahme bei Verlassen der<br />
Wohnung so selbstverständlich geworden wie ein Griff zum Haustürschlüssel oder zur<br />
Geldbörse.<br />
„Was wirklich los war kann nur Volker selber sagen, in der Zeitung steht ja eh nur<br />
Quatsch und beim Thema Punks sind Grimms Märchen dagegen nüchterne<br />
Tatsachenschilderungen. Aber was wirklich los war würde ich gerne wissen… Vielleicht hat<br />
Volker versehentlich eine Spießerstampede ausgelöst, oder Dutzende von Bürgern entdeckten<br />
bei seinem Anblick ihre Neigung zur Zivilcourage wieder. Ich fahre ja gleich nach Bonn, und<br />
bestimmt kann mir am Berliner einer erzählen wie es wirklich war…“