Anhörung zum Bleiberecht für langjährig geduldete ... - Pro Asyl
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Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg - Grußwort<br />
Land zu sein, dessen Kultur nicht zu verstehen,<br />
dessen Sprache nicht zu kennen, und ohne Kontakt<br />
zu Menschen der eigenen Kultur leben zu müssen,<br />
ohne Wissen, wie es den Eltern geht, das ist wirklich<br />
furchtbar. So etwas gibt es vielfach. Houmajun<br />
lebt immer noch in Deutschland und ihm droht,<br />
nun nach mehreren Jahren, die Abschiebung zurück<br />
nach Afghanistan in eine durchaus ungewisse Zukunft.<br />
Dieses Beispiel hat mir persönlich gezeigt,<br />
wie Menschen leben müssen, die in Deutschland geduldet<br />
werden und keine Rechte haben. Und diesen<br />
Menschen das Recht zu geben, hier zu bleiben, das<br />
ist nicht zuletzt eines der wesentlichen Ziele dieser<br />
Veranstaltung.<br />
Ich freue mich, dass viele Betroffene gekommen<br />
sind, die uns den Blick öffnen <strong>für</strong> das Schicksal von<br />
Flüchtlingen. Darüber hinaus werden wir interessante<br />
Fachvorträge und Berichte von ehrenamtlichen<br />
Unterstützern hören, die uns aus ihrer jeweiligen<br />
Perspektive das Schicksal und die Situation von<br />
Flüchtlingen näher bringen, damit wir dann<br />
entsprechend handeln können.<br />
(Applaus)<br />
4. Grußwort<br />
durch Hannovers Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg<br />
Meine sehr verehrten Damen und Herren,<br />
ich freue mich darüber, dass wir heute hier zu einer<br />
wichtigen <strong>Anhörung</strong> <strong>zum</strong> Thema des <strong>Bleiberecht</strong>s<br />
im Hodler-Saal zusammen gekommen sind. Ich darf<br />
sie alle ganz herzlich begrüßen und freue mich auch,<br />
dass sie, verehrte Frau Beck, nach Hannover gekommen<br />
sind. Wir beschäftigen uns mit einem Thema,<br />
wobei wir uns nach meinem Wunsch an dem<br />
Bild hier in diesem Hodler-Saal orientieren sollten.<br />
Lassen Sie mich dies kurz erklären. Der Raum ist<br />
benannt nach dem Schweizer Maler Ferdinand<br />
Hodler, der während der Erbauung des Rathauses<br />
im Jahr 1911 den Auftrag bekam, ein Gemälde anzufertigen,<br />
welches das Bekenntnis der Hannoveraner<br />
zur Reformation darstellen sollte. Erstaunlich<br />
dabei war, dass ein deutscher Stadtdirektor einem<br />
Schweizer Maler damals einen derartigen Auftrag<br />
erteilte.<br />
Lieber <strong>Pro</strong>bst Funke: Ich bitte um Nachsicht, dass<br />
ich dieses Thema anspreche, aber die Teilnehmer<br />
der Veranstaltung sollten wissen, wo sie sich befinden.<br />
Am 26. Juni 1533 hatten sich die Hannoveraner<br />
zwischen Marktkirche und altem Rathaus<br />
einstimmig und einmütig - deswegen heißt dieses<br />
Gemälde auch “Einmütigkeit” - zur Reformation<br />
bekannt. Die katholischen Glaubensbrüder und der<br />
katholische Bürgermeister mussten die Stadt verlassen.<br />
In Hildesheim erhielten sie Schutz. Nach einiger<br />
Zeit kamen sie von dort nach Hannover zurück.<br />
Und wenn da nur Männer zu sehen sind, meine Damen<br />
und Herren, so liegt das daran, dass es damals<br />
leider noch keine Frauenbeauftragten gab, die da<strong>für</strong><br />
gesorgt haben, dass auch Frauen mit abstimmen<br />
konnten und abstimmen durften. Dies ist ein überaus<br />
wichtiges Gemälde, das übrigens noch eine<br />
zweite Ausführung hat. Wenn Sie einmal nach<br />
Zürich kommen und die dortige Kunsthalle aufsuchen,<br />
können Sie das Gemälde dort in der gleichen<br />
Größe noch einmal sehen.<br />
Soviel zu dem Raum und dem Gemälde. Ich wäre<br />
sehr froh darüber, wenn es auch in der Diskussion<br />
um ein <strong>Bleiberecht</strong> eine solche Einmütigkeit gäbe.<br />
Ich hoffe sehr, dass es eines Tages ein Zuwanderungsgesetz<br />
geben wird, das den Namen Zuwanderungsgesetz<br />
auch verdient hat. Ob das, was jetzt<br />
ausgehandelt worden ist, dieses Prädikat verdient,<br />
will ich nicht kommentieren. Ich hätte mir etwas anderes<br />
gewünscht als das, was jetzt zustande gekommen<br />
ist.<br />
Vor mehr als 80 Jahren formulierte Kurt Schwitters:<br />
Hannovers Rathaus gehört den Hannoveranerinnen<br />
und Hannoveranern. Und deswegen gehört das<br />
Rathaus allen, die hierher kommen. Wir haben ein<br />
offenes Rathaus und täglich besuchen mehrere hundert,<br />
teilweise über 1.000 Menschen das Gebäude.<br />
Die Offenheit gilt <strong>für</strong> alle Einwohnerinnen und<br />
Einwohner unserer Stadt und ganz besonders auch<br />
<strong>für</strong> den Teil unserer Einwohnerinnen und Einwohner,<br />
die zu dieser Veranstaltung gekommen sind,<br />
weil das heutige Thema <strong>für</strong> sie wirklich von existenzieller<br />
Bedeutung ist. Aus diesem Grund habe ich<br />
auch sehr gern die Schirmherrschaft <strong>für</strong> diese Veranstaltung<br />
übernommen. Es geht um das <strong>Bleiberecht</strong><br />
ausländischer Einwohnerinnen und Einwohner,<br />
deren Aufenthalt nur geduldet wird, obwohl sie<br />
<strong>zum</strong> Teil seit vielen Jahren hier leben. Diese Menschen<br />
sind zur Ausreise verpflichtet, im Weigerungsfall<br />
müssen sie ihre Abschiebung be<strong>für</strong>chten.<br />
In Hannover leben nach dem jetzigen Stand 1.851<br />
<strong>Asyl</strong>berechtigte, und 1.575 Duldungsinhaber<br />
(Stand: 31.122003). Wir haben zwar die Gesamtdauer<br />
ihres Aufenthalts statistisch nicht erfasst, wis-<br />
FLÜCHTLINGSRAT - Zeitschrift <strong>für</strong> Flüchtlingspolitik in Niedersachsen, Heft 102, Oktober 2004<br />
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