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Anhörung zum Bleiberecht für langjährig geduldete ... - Pro Asyl

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Landtagesdebatte<br />

ergeben, bei nachrangigen Beratungen eine andere<br />

Position ergibt. Das muss möglich sein.<br />

(Beifall bei den GRÜNEN)<br />

Meine Damen und Herren, in den vergangenen<br />

Jahren schien sich die Situation der ethnischen<br />

Minderheiten im Kosovo zu verbessern. Es gab<br />

weniger Sicherheitszwischenfälle, es gab etwas<br />

mehr Bewegungsfreiheit. Mit anderen Worten: Es<br />

gab etwas mehr Normalität. Wie instabil die Lage<br />

trotz Verbesserung dennoch war, haben Mitglieder<br />

des Landtagspräsidiums bereits vor einem Jahr bei<br />

ihrem Besuch im Kosovo hautnah miterleben<br />

können. Nach<br />

der Ermordung von drei Serben war die Stimmung<br />

im Kosovo derart aufgeheizt, dass der damalige<br />

UN-Beauftragte Michael Steiner be<strong>für</strong>chtete, dieser<br />

Anschlag könnte der Auftakt <strong>für</strong> weitere Gewaltakte<br />

sein. Leider hat sich diese Be<strong>für</strong>chtung Anfang<br />

dieses Jahres auf dramatische Weise bewahrheitet.<br />

Mit den gewaltsamen Auseinandersetzungen im<br />

März hat sich die Lage <strong>für</strong> die ethnischen Minderheiten<br />

im Kosovo weiter erheblich verschlechtert.<br />

Internationale Beobachter sprechen von pogromartigen<br />

Unruhen und Auseinandersetzungen. Mehr<br />

als 4 000 Kosovo-Serben, Ashkali und Roma sind<br />

aus ihren Häusern und Wohnungen vertrieben<br />

worden, 19 Personen starben, Häuser wurden<br />

niedergebrannt, Kirchen und Klöster zerstört oder<br />

beschädigt. Mehr als 1 000 Personen, darunter zahlreiche<br />

KFOR-Soldaten und UN-Polizisten, wurden<br />

verletzt. Es gelang weder den internationalen noch<br />

den kosovarischen Sicherheitskräften, die gezielten<br />

Übergriffe auf Rückkehrersiedlungen zu verhindern.<br />

Ebenso wenig ist es gelungen, die Vertreibung<br />

von ethnischen Minderheiten zu verhindern. Von<br />

den Vertreibungen waren im Übrigen auch Gorani<br />

und Bosniaken betroffen. Viele von ihnen haben<br />

vorsichtshalber ihre Wohnungen verlassen und sich<br />

an andere Orte begeben. Die Situation hat sich <strong>für</strong><br />

alle serbischsprechenden Minderheiten verschlechtert;<br />

unter ihnen wächst die Angst Meine Damen<br />

und Herren, die UN-Verwaltung hat entschieden,<br />

ab 17. März Abschiebungen von ethnischen Minderheiten<br />

in den Kosovo zu stoppen. UNMIK,<br />

UNHCR und OSZE haben übereinstimmend<br />

erklärt, dass Leben und Grundrechte von Minderheitenangehörigen<br />

im Kosovo massiv gefährdet<br />

sind. Meine Damen und Herren, daraus ergibt sich<br />

die logische Konsequenz, dass Rückführungen auf<br />

absehbare Zeit unterbleiben müssen.<br />

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)<br />

Denn eine erzwungene Rückkehr setzt das äußerst<br />

fragile ethnische Gleichgewicht aufs Spiel und<br />

erhöht die Gefahr erneuter innerethnischer Zusammenstöße.<br />

Die Bundesregierung unternimmt zurzeit<br />

größte Anstrengungen, die Lage im Kosovo zu<br />

stabilisieren und zu verbessern. In dieser Situation<br />

Abschiebungen in den Kosovo auch nur in Erwägung<br />

zu ziehen, wäre nicht nur menschlich, sondern<br />

auch sicherheitspolitisch unverantwortlich.<br />

(Beifall bei den GRÜNEN)<br />

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ein<br />

Wort dazu sagen: Wenn Familienväter straffällig<br />

werden, dann darf meines Erachtens darunter nicht<br />

die Familie leiden. Dann sollte man die Familienväter<br />

ausweisen, aber bitte <strong>zum</strong>indest die Familien hier<br />

lassen. Es kann in unseren Augen keine Sippenhaft<br />

geben Meine Damen und Herren, stattdessen ist es<br />

jetzt an der Zeit, <strong>langjährig</strong> <strong>geduldete</strong>n Minderheitenangehörigen<br />

aus dem Kosovo einen rechtmäßigen<br />

und dauerhaften Aufenthalt zu gewähren. Sie<br />

haben ihre <strong>langjährig</strong>e Duldung in den meisten Fällen<br />

nicht selbst verschuldet. Mit dem Memorandum<br />

of understanding verbietet sich bisher ihre Abschiebung,<br />

und das wird sich auch in absehbarer Zeit<br />

nicht ändern. Da CDU und CSU im Bund eine Altfallregelung<br />

im jetzt beschlossenen Zuwande-rungsbegrenzungsgesetz<br />

verhindert haben, ist es nunmehr<br />

Sache der Länder, hier Regelungen zu treffen.<br />

Wir fordern Innenminister Schünemann auf, sich<br />

auf der Innenministerkonferenz mit Nachdruck <strong>für</strong><br />

eine <strong>Bleiberecht</strong>sregelung von <strong>langjährig</strong> <strong>geduldete</strong>n<br />

Minderheiten aus dem Kosovo einzusetzen. Um es<br />

ganz deutlich zu sagen: Eine <strong>Bleiberecht</strong>sregelung<br />

kann sich nicht ausschließlich am Sozialhilfebezug<br />

orientieren. Hier dürfen Realitäten nicht weiterhin<br />

ausgeblendet werden, auch nicht die - das ist auch<br />

eben von der SPD angesprochen worden -, dass die<br />

nachgeordnete Arbeitserlaubnis einem faktischen<br />

Arbeitsverbot gleichkommt. Gängige Praxis ist es<br />

auch, dass Arbeitsverbote ausgesprochen und Ausbildungsverbote<br />

<strong>für</strong> Jugendliche erteilt werden, weil<br />

Duldungen <strong>zum</strong>eist u. a. nur noch wochenweise<br />

ausgesprochen werden. Wenn es <strong>Asyl</strong>bewerbern<br />

trotz aller schier unüberwindbaren Hindernissen<br />

gelingt, dennoch eine Arbeitsstelle zu bekommen,<br />

wird diese in der Regel so schlecht bezahlt, dass sich<br />

ergänzende Sozialhilfe oftmals nicht vermeiden<br />

lässt. <strong>Asyl</strong>bewerbern jede Möglichkeit einer<br />

Erwerbstätigkeit zu entziehen und ihnen das auch<br />

noch anzulasten, das kann man getrost als Zynismus<br />

bezeichnen.<br />

(Beifall bei den GRÜNEN)<br />

Meine Damen und Herren, heute zeigt sich, dass<br />

wir mit unserem Antrag im Mai 2003 <strong>für</strong> eine <strong>Bleiberecht</strong>sregelung<br />

sehr richtig lagen. Wieder einmal<br />

hat sich erwiesen, dass die CDU nicht in der Lage<br />

ist, sich, was die ausländerrechtlichen Fragen anbelangt,<br />

dringenden <strong>Pro</strong>blemen zu stellen und nach<br />

Möglichkeiten zu suchen. Sie sind immer nur dann<br />

FLÜCHTLINGSRAT - Zeitschrift <strong>für</strong> Flüchtlingspolitik in Niedersachsen, Heft 102, Oktober 2004<br />

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