Anhörung zum Bleiberecht für langjährig geduldete ... - Pro Asyl
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Christoph Dahling-Sander Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers<br />
Dies korrespondiert mit den Menschenrechtserklärungen<br />
und mit den im Grundgesetz verbürgten<br />
Grundrechten. Ein Perspektivenwechsel ist hier besonders<br />
im Blick auf Flüchtlinge dringend nötig. Es<br />
ist nicht entscheidend, wer der Verfolger ist, sondern<br />
ob jemand einer Verfolgung ausgesetzt ist. Aus<br />
diesem Grund ist den Kirchen besonders wichtig,<br />
dass nach der Genfer Flüchtlingskonvention diejenigen<br />
Menschen einen Anspruch auf Schutz haben, die<br />
wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ihrer Nationalität,<br />
ihres Geschlechts, ihrer Religion, ihrer Zugehörigkeit<br />
zu einer bestimmten sozialen Gruppe<br />
oder wegen ihrer politischen Überzeugung an Leib<br />
und Leben in Freiheit bedroht sind. Die Genfer<br />
Flüchtlingskonvention muss uneingeschränkt angewendet<br />
werden. Nicht-staatliche Verfolgung muss<br />
also dringend anerkannt werden. (Dies fordern die<br />
Kirchen immer wieder ein, z.B. in der EKD-Handreichung<br />
„Zuwanderung gestalten“ vom Dezember<br />
2002, durch EKD-Ratspräsident Bischof Huber am<br />
4. März 2004 und zuletzt durch die „Liebfrauenberg-Erklärung“<br />
am 12. Mai 2004.)<br />
Humanitärer Flüchtlingsschutz ist allerdings nicht<br />
mit der bloßen Aufnahme erledigt.<br />
wenn die „Geduldeten“ schon über Jahre hier leben,<br />
ihren Beitrag <strong>zum</strong> gesellschaftlichen Leben leisten<br />
und in ihrem persönlichen Umfeld menschliche Anerkennung<br />
finden. Deshalb legen die Kirchen im<br />
aktuellen Diskussionsprozess <strong>zum</strong> Niedersächsischen<br />
Handlungsprogramm Wert darauf, dass auch<br />
„Geduldete“ in den Blick kommen und integriert<br />
werden. Ein Leben ohne sichere Zukunft und ein<br />
Leben ohne von der Politik gewollte und abgesicherte<br />
Integration ist menschenunwürdig, es ist ein<br />
Leben „draußen vor der Tür“. Deshalb sind „Kettenduldungen“<br />
von Menschen – wo immer möglich<br />
– abzuschaffen und durch einen sicheren Aufenthaltsstatus<br />
mit Zukunftsperspektiven zu ersetzen.<br />
In der Bevölkerung gibt es Angst vor Gewalt und<br />
Terror, gerade nach den Anschlägen in Istanbul und<br />
Madrid. Zugleich sorgen sich viele, dass unsere<br />
rechtsstaatlichen Regelungen missbraucht und unterwandert<br />
werden. Diese Ängste und Sorgen sind<br />
ernst zu nehmen. Es versteht sich von selbst, dass<br />
die Forderung nach einem sicheren Aufenthaltsstatus<br />
nicht <strong>für</strong> schwer straffällig gewordene Menschen<br />
gilt. Zugleich setzen die Kirchen auf die Fähigkeit<br />
aller Menschen, hier klar zu unterscheiden. Unterstellungen<br />
und Pauschalurteile schaden den Zuwanderern<br />
ebenso wie den Einheimischen; sie missachten<br />
die einzelnen Menschen. Landesbischöfin Dr.<br />
Margot Käßmann hat gestern vor der Synode unterstrichen:<br />
„Die Menschenwürde darf der Angst<br />
vor dem Terror nicht geopfert werden.“<br />
Es ist zu betonen: Zur Zuwanderung und <strong>zum</strong> humanitären<br />
Flüchtlingsschutz gibt es keine Alternative.<br />
Wer Integration ernsthaft anstrebt, muss diejenigen<br />
<strong>zum</strong> Ausgangspunkt nehmen, die sich faktisch<br />
in Deutschland aufhalten und ihnen gleiche Rechte<br />
und Lebenschancen einräumen. Faire Chancen zur<br />
Integration sind zwingend erforderlich.<br />
Bedrohte Menschen sind würdig zu behandeln.<br />
Dies erfordert, ihnen einen sicheren Aufenthaltsstatus<br />
einzuräumen, besonders den Menschen, die<br />
schon lange hier leben. Die sogenannten „Kettenduldungen“<br />
zielen immer wieder neu nur auf eine<br />
kurzfristige Duldung, <strong>zum</strong> Teil <strong>für</strong> einen Monat.<br />
Die so Geduldeten können gar nicht erst Zukunftsperspektiven<br />
entwickeln. Wir als Kirchen bedauern,<br />
dass im Niedersächsischen Handlungsprogramm<br />
zur Integration „Geduldete“ nicht berücksichtigt<br />
werden. Sie sollen demnach nicht beraten werden,<br />
nicht am gesellschaftlichen Leben teilhaben, keine<br />
Möglichkeit haben, sich frei zu bewegen, sich zu bilden<br />
und einer Arbeit nachzugehen. Dies gilt selbst,<br />
Ein besonderes Augenmerk richten die Kirchen auf<br />
die unwürdige Trennung von Familien. Der Erhalt<br />
und Schutz von Ehe und Familie hat <strong>für</strong> die Kirchen<br />
eine große Bedeutung. Nach christlicher Überzeugung<br />
ist die Familie als Keimzelle des Lebens<br />
und Zusammenlebens eine elementare Form der<br />
Schöpfung Gottes. Ehe und Familie dienen der<br />
Weitergabe des Lebens, der Weitergabe des Glaubens<br />
und dem konstruktiven Erhalt von Gesellschaft<br />
und Kultur. Diese soziale Dimension von<br />
Ehe und Familie macht sie nach christlicher Überzeugung<br />
besonders schützenswert. Dies korrespondiert<br />
mit Art. 6 des Grundgesetzes: „Ehe und Familie<br />
stehen unter dem besonderen Schutz der<br />
staatlichen Ordnung.“<br />
Die Beraterinnen und Berater der Kirchen und Diakonischen<br />
Werke fragen sich allerdings zunehmend,<br />
ob dieser grundrechtliche Schutz von Ehe und Fa-<br />
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