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Anhörung zum Bleiberecht für langjährig geduldete ... - Pro Asyl

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Christian Schwarz-Schilling - Internationaler Streitschlichter<br />

brenica systematisch umgebracht worden sind, davon<br />

weiß heute kaum einer etwas und dennoch liegt<br />

es uns viel näher, nämlich mitten in Europa und das<br />

ist auch noch passiert, weil der Westen versagt hat.<br />

In dem er die UN-Friedenszonen eingerichtet hat,<br />

die Flüchtlinge mussten ihre Waffen abgeben, weil<br />

sie sich angeblich in Sicherheit befinden, wie man<br />

ihnen sagte, und dann wurden sie wehrlos den Angreifern<br />

ausgesetzt und niedergemacht. Die so genannte<br />

Schutztruppe der UN, damals UNPRO-<br />

FOR, suchte das Weite. Es waren hier also nicht islamistische<br />

Fundametalisten, die das anrichteten,<br />

was da geschah, sondern es war die Unzuverlässigkeit<br />

der UN, Europas und des Westens insgesamt.<br />

Ist uns dies hier in Deutschland, in Europa bewusst?<br />

Ich muss Ihnen sagen, als Streitschlichter komme<br />

ich alle sechs bis acht Wochen dort hin nach<br />

Bosnien-Herzegovina und arbeite dort etwa zehn<br />

Tage, um in verschiedenen Kommunen und Kantonen<br />

die verschiedenen Parteien und Verwaltungen<br />

an einen Tisch zu bringen. Über 100 Verträge habe<br />

ich jetzt abgeschlossen, war in über 50 Gemeinden<br />

tätig. Aber jetzt war ich neulich wieder in Srebrenica<br />

und wissen Sie: wenn man dann sieht, dass da ein<br />

so genanntes UNDP-<strong>Pro</strong>gramm (United Nations<br />

Development <strong>Pro</strong>gramme) in Gang gesetzt werden<br />

sollte, um dieser Region nach dieser größten Katastrophe<br />

in Europa nach dem 2. Weltkrieg etwas zu<br />

helfen und wir zunächst von vierzig Millionen<br />

Dollar sprachen, der <strong>Pro</strong>jektumfang dann zwölf<br />

Millionen Dollar betragen hat, und dann schließlich<br />

ganze sechs Millionen zusammengekommen sind,<br />

und von den sechs Millionen dann drei Millionen<br />

bis jetzt zur Verfügung standen und wenn man dann<br />

erfährt, dass die Bundesrepublik Deutschland leider<br />

Gottes mit überhaupt nichts daran beteiligt ist, dann<br />

stellt man sich ja schon die Frage, wer muss sich hier<br />

eigentlich schämen? Diejenigen, die dort die Hölle<br />

erlebt haben oder diejenigen, die wie ich ihre Besuche<br />

machen, das Unglück sehen und aus einem<br />

Land kommen, das eigentlich anders hätte handeln<br />

müssen, damals wie heute. Ich sage das deswegen,<br />

weil im Grunde genommen das Leid sich immer<br />

weiter fortsetzt. Es ist schlimm, dass wir uns immer<br />

weiter daran gewöhnen und uns der Brutalität<br />

schon gar nicht mehr bewusst sind. Aber die Ausländerbeamten,<br />

haben sie eine Ahnung, was hier mit<br />

den Flüchtlingen vorgeht, wenn sie das Wort Srebrenica<br />

aussprechen oder in irgendein Dokument<br />

eintippen? Können sie wissen, was in diesen Menschen<br />

vorgeht?<br />

Oder ein anderes Beispiel der Unsensibilität und<br />

Unsinnigkeit: Wir reden bei der Debatte um das Zuwanderungsgesetz<br />

ständig von den notwendigen Integrationskursen<br />

und streiten uns um die Kosten,<br />

die damit zusammenhängen. Ja wozu brauchen wir<br />

eigentlich solche Kurse, wenn Flüchtlinge oder Ausländer<br />

die voll integriert sind, dann von uns wieder<br />

wegschickt werden? (Applaus) Was soll das? Kinder,<br />

die hier aufgewachsen sind, fließend Deutsch sprechen,<br />

kaum eine andere Schule in ihrem Leben gesehen<br />

haben, manchmal auch eben hier geboren<br />

sind, jetzt acht Jahre, zehn Jahre, zwölf Jahre alt<br />

sind. Ja was wollen wir denn mit Integrationskursen<br />

mehr erreichen, als was diese jungen Menschen erreicht<br />

haben? Also - wo ist hier die Glaubwürdigkeit?<br />

Wo ist hier die Logik? Wo ist hier das Verständnis<br />

dessen, was wir eigentlich wollen?<br />

Und es ist ja auch nicht so, dass wir hier vor Kinderfülle<br />

bersten und nicht mehr wissen, wo wir sie<br />

alle unterbringen können. Wir sollten froh sein,<br />

wenn wir noch ein paar, in intakten Familien aufgewachsene,<br />

vernünftige Menschen hier haben, die<br />

sich selbst bewiesen haben, dass sie sich integrieren<br />

können und friedliche Bürger dieses Landes werden<br />

wollen (Applaus).<br />

In diesem Sinne habe ich mich bemüht, wo immer<br />

ich konnte, tätig zu sein. Ich habe damals im Jahre<br />

2000, zusammen mit Parteien des Deutschen Bundestages<br />

einen Beschluss initiiert, der <strong>zum</strong>indest <strong>für</strong><br />

die damaligen Verhältnisse die wirkliche <strong>Pro</strong>bleme<br />

angesprochen und sowohl die Bundesregierung als<br />

auch vor allem die Länder gebeten hat, auf die humanitären<br />

Gesichtspunkte und Belange bei Rückführungen<br />

von Flüchtlingen zu achten und zu respektieren.<br />

Und dabei wurde dann im Einzelnen<br />

aufgezählt, wer eben nicht "zurückgeführt" werden<br />

soll, um dieses merkwürdige Wort zu gebrauchen,<br />

sondern wer ein <strong>Bleiberecht</strong> erhalten sollte. Und da<br />

sind eine ganze Menge differenzierte Kategorien<br />

genannt worden, welche in einem Rechtstaat, der<br />

die Würde des Menschen achtet, wie es im Artikel 1<br />

unseres Grundgesetzes heißt, würdig und angemessen<br />

gewesen wären.<br />

Hätte man das aufgegriffen und hätte man das von<br />

den damaligen Fall Bosnien-Herzegovina auf weitere,<br />

gleich gelagerte Fälle länger hier lebender Flüchtlinge<br />

übertragen, dann hätten wir mindestens 80%<br />

bis 90% derjenigen, die heute in diese katastrophale<br />

Lage der Beendigung von Duldungen hineingekommen<br />

sind, nicht als tragische Fälle auf unseren<br />

Schreibtischen. Und dann hätte man noch von Härtefällen<br />

sprechen können, wenn die letzten zehn<br />

oder fünfzehn <strong>Pro</strong>zent nicht gelöst werden können,<br />

weil man an etwas nicht gedacht hat, weil man eine<br />

Kategorie vergessen hat, weil es irgendeine menschliche<br />

Situation gibt, die man als Gesetzgeber oder<br />

Verordnungsgeber nicht voraussehen kann. Dann<br />

könnte man zu Recht von "Härtefällen" sprechen.<br />

Ich hoffe ja immer noch, dass das zu einem Kompromiss<br />

kommt. Ich war auch einer derjenigen, der<br />

bei dem Zuwanderungsgesetz seine Stimme dem<br />

Regierungsentwurf gegeben hat, weil ich der Meinung<br />

war, dass, auch wenn dieses Gesetz nicht voll-<br />

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