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Anhörung zum Bleiberecht für langjährig geduldete ... - Pro Asyl

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Samir Asanovic<br />

2. Es gilt, gegenüber den Tätern und der gesamten<br />

Gesellschaft ein politisches Signal zu setzen. Die<br />

Täter sprechen, wie ich bereits betonte, den Opfern<br />

das Recht ab, in der Bundesrepublik<br />

Deutschland zu leben und glauben, durch ihre<br />

Tat einem allgemeinen gesellschaftlichen Grundkonsens<br />

Ausdruck zu verleihen. Durch die Gewährung<br />

eines <strong>Bleiberecht</strong>s allerdings wird die<br />

Wirkung des Angriffs gebrochen und ins Gegenteil<br />

verkehrt. Durch das <strong>Bleiberecht</strong> wird den Tätern<br />

schlichtweg gezeigt, dass ihre Handlung<br />

nicht akzeptiert wird und sie damit keinen Erfolg<br />

haben, sondern sogar das Gegenteil erreichen.<br />

Zudem signalisiert ein <strong>Bleiberecht</strong> den Opfern<br />

rassistischer Angriffe, das die Gesellschaft Verantwortung<br />

auch <strong>für</strong> die Folgen politischen und<br />

gesellschaftlichen Versagens übernimmt, denn<br />

rassistische Gewalt ist nicht zuletzt eine Folge<br />

dieses Versagens. Wenn dieses Eingeständnis in<br />

der Öffentlichkeit stärker thematisiert würde, wäre<br />

das auch eine Art der Anerkennung jener Menschen,<br />

denen diese Gewalt angetan wird.<br />

3. Der dritte Aspekt betont die humanitären Verpflichtungen<br />

unserer Gesellschaft. Menschen mit<br />

einem ungesichertem Aufenthaltsstatus befinden<br />

sich regelmäßig in einer sehr kritischen Lebenssituation.<br />

Oft ist ihre Bewegungsfreiheit eingeschränkt,<br />

sie dürfen nicht arbeiten, es fehlt an sozialen<br />

Kontakten und sie haben eine völlig ungewisse<br />

Zukunftsperspektive. Aus diesem Grund<br />

entfaltet ein rassistischer Angriff sehr viel einschneidendere<br />

Wirkungen bei dieser speziellen<br />

Personengruppe als bei anderen Opfergruppen.<br />

Und vor diesem Hintergrund schafft die Gewährung<br />

eines <strong>Bleiberecht</strong>s zusätzliche Sicherheit<br />

und Perspektiven, die es ermöglichen können, die<br />

erlittenen Verletzungen besser zu verarbeiten.<br />

Die Folgen einer psychischen Gewalttat bestehen<br />

nicht allein in körperlichen, sondern auch in psychischen<br />

Verletzungen. Viele der hier Anwesenden<br />

wissen, wie schwierig es ist, traumatische Erlebnisse<br />

mittels <strong>langjährig</strong>er Therapien soweit bewältigen zu<br />

können, um ein menschenwürdiges Leben zu<br />

führen. Ein Leben in Sicherheit ist da<strong>für</strong> die<br />

wesentliche Voraussetzung. Mit diesen Worten werde<br />

ich meinen kurzen Beitrag beenden. Ich bedanke<br />

mich <strong>für</strong> ihr offenes Ohr und hoffe, dass Sie im<br />

Rahmen Ihrer <strong>Bleiberecht</strong>skampagne auch die<br />

Opfer rassistischer Gewalt berücksichtigen.<br />

(Applaus)<br />

17. "Diese Gesetze sind sind gefühllos!"<br />

Samir Asanovic<br />

Schönen guten Tag,<br />

mein Name ist Samir Asanovic.<br />

Ich bin im Alter von siebeneinhalb<br />

Jahren mit meiner<br />

Familie nach Deutschland<br />

gekommen und gehe<br />

heute in die zweijährige Wirtschaftsschule,<br />

kaufmännischer<br />

Bereich. Ich wollte auf<br />

jeden Fall meine Zukunft hier aufbauen. Das<br />

geht halt leider nicht mehr, da ich jetzt am 15.<br />

Juli abgeschoben werde. Meine Zukunft ist jetzt<br />

kaputtgegangen, und ich kann leider nichts mehr<br />

dagegen machen. Wenn ich jetzt da unten in Jugoslawien<br />

lande, sehe ich keine Perspektive und<br />

keine Zukunft mehr, ich beherrsche noch nicht<br />

einmal die Sprache. Meine Familie ist durch die<br />

Abschiebungsdrohung krank geworden und musste<br />

psychisch betreut werden, das finde ich grausam.<br />

Als die Polizei mich abgeholt hat, haben sie mich<br />

zuerst ins Gefängnis gebracht. Ich hatte mir vorgenommen,<br />

nie in meinem ganzen Leben im Gefängnis<br />

zu landen. Aber es ist doch passiert, und das war<br />

sehr schlimm, es war der letzte Horror <strong>für</strong> mich.<br />

Dieses Gesetz ist ein<br />

Gesetz ohne Gefühle.<br />

Sorry, aber das<br />

Gesetz ist <strong>für</strong> mich<br />

kein Gesetz, es ist <strong>für</strong><br />

mich einfach eine<br />

Misshandlung von<br />

Menschen, so sage ich mal,<br />

und das finde ich nicht gut.<br />

Meine Zukunft, wie gesagt,<br />

die ist sowieso - Entschuldigung,<br />

wenn ich das sagen<br />

muss - "am Arsch" jetzt. Ich<br />

bin seit zwölfeinhalb Jahren<br />

hier in Deutschland, ich bin<br />

hier aufgewachsen und ich<br />

kriege noch nicht einmal die<br />

Möglichkeit, meine Zukunft<br />

hier aufzubauen. Das ist eine Frechheit! Was soll ich<br />

dazu sagen (?), ich hoffe die Politiker hören dies und<br />

halten ihre Ohren offen. Ich hoffe, die ändern noch<br />

etwas, und ich hoffe, das Gesetz existiert bald nicht<br />

mehr. Ich hoffe, das Gesetz wird endlich einmal<br />

davongehen. So, das war's. (Applaus)<br />

FLÜCHTLINGSRAT - Zeitschrift <strong>für</strong> Flüchtlingspolitik in Niedersachsen, Heft 102, Oktober 2004<br />

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