Anhörung zum Bleiberecht für langjährig geduldete ... - Pro Asyl
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Editorial<br />
Etwa 230.000 Menschen müssen in der Bundesrepublik Deutschland ohne jene rechtlichen und<br />
sozialen Mindeststandards leben, die eine bürgerliche Existenz begründen. Es geht um die sogenannten<br />
“Geduldeten“, welche als Flüchtlinge in dieses Land gekommen sind. Nach <strong>zum</strong> Teil<br />
<strong>langjährig</strong>en <strong>Asyl</strong>verfahren ist ihnen die Anerkennung verweigert worden. Wegen drohender geschlechtsspezifischer<br />
Verfolgung, ethnisch motivierter Bedrohung, Folter, Todesstrafe, Bürgerkriegen<br />
oder fehlender Lebensgrundlagen konnten sie jedoch lange Zeit weder ausreisen noch abgeschoben<br />
werden. Sie erhielten keinen Aufenthaltsstatus, sondern wurden lediglich „geduldet“<br />
und müssen ein Leben „im Wartestand“ führen. Die Betroffenen befinden sich in einem Zustand<br />
anhaltender existenzieller Unsicherheit, in der eine über die unmittelbare Alltagsbewältigung hinausführende<br />
Lebensplanung nicht möglich ist. Besonders schwerwiegende Folgen hat dies <strong>für</strong><br />
Kinder und Jugendliche, deren alterspezifische Entwicklung, zu der die Antizipation von Zukunftsentwürfen<br />
gehört, schwer gestört wird. In fast allen sozialen Bereichen des Lebens sind die<br />
Rechte der Geduldeten auf das Äußerste beschränkt. Eine derartige staatlicherseits betriebene Degradierung<br />
zu Menschen zweiter Klasse ist zutiefst inhuman. Viele der Betroffenen verzweifeln,<br />
werden krank, zerbrechen an dieser Situation.<br />
Die Hoffnung der Menschenrechtsorganisationen, Wohlfahrtsverbände, Kirchen und Flüchtlingsinitiativen<br />
bestand darin, dass mit dem Zuwanderungsgesetz, das am 1.1.2005 in Kraft tritt, endlich<br />
auch eine humanitäre Lösung <strong>für</strong> dieses <strong>Pro</strong>blem gefunden wird. Die darauf gesetzten Hoffnungen<br />
sind leider bitter enttäuscht worden. Ein humanitäres <strong>Bleiberecht</strong> <strong>für</strong> <strong>langjährig</strong> <strong>geduldete</strong><br />
Flüchtlinge ist nicht vorgesehen. Die Forderung nach einer grundlegenden Verbesserung der<br />
sozialen und rechtlichen Situation der “Geduldeten” ist daher aktueller denje.<br />
Mit der <strong>Anhörung</strong> <strong>zum</strong> <strong>Bleiberecht</strong> am 4. Juni 2004 im Hannoverschen Rathaus wurde einmal<br />
mehr ein deutliches politisches Signal <strong>für</strong> das <strong>Bleiberecht</strong> gesetzt. Neben den Flüchtlingsverbänden<br />
haben sich die Kirchen und Wohlfahrtsverbände, der DGB sowie politische RepräsentantInnen<br />
wie die Integrationsbeauftragte der Deutschen Bundesregierung, Marieluise Beck, die Vorsitzende<br />
des Sachverständigenrates <strong>für</strong> Zuwanderung und Integration der Deutschen Bundesregierung,<br />
Dr. Rita Süssmuth, und der Oberbürgermeister von Hannover, Herbert Schmalstieg, eindeutig<br />
<strong>für</strong> das <strong>Bleiberecht</strong> positioniert. Der ehemalige Bundespostminister und Internationale<br />
Streitschlichter <strong>für</strong> Bosnien und Herzegovina, Dr. Christian Schwarz-Schilling, hat in einem engagiert<br />
vorgetragenen Beitrag deutlich gemacht, warum er die restriktive Haltung der Mehrheit seiner<br />
Parteifreunde von der CDU in diesen Fragen nicht teilt, sondern ein <strong>Bleiberecht</strong> <strong>für</strong> <strong>langjährig</strong><br />
Geduldete <strong>für</strong> unabdingbar politisch, humanitär und ethisch geboten hält. Neben den Beiträgen<br />
von Fachleuten sind darüber hinaus insbesondere etliche Betroffene selbst zu Wort gekommen.<br />
Die <strong>Anhörung</strong> <strong>zum</strong> <strong>Bleiberecht</strong> hat den Flüchtlingen ein „Gesicht gegeben“, wie der Journalist Jo<br />
Schrader formulierte. Ihre Ängste und Sorgen, aber auch Hoffnungen und Forderungen, standen<br />
auf dieser Veranstaltung im Mittelpunkt und haben mehr als alles andere der Forderung nach einem<br />
humanitären Bleibberecht unmittelbaren Nachdruck verliehen. „Ich hoffe, die Politiker<br />
hören dies und halten ihre Ohren offen“, hat einer der Redner, Samir Asanovic, der <strong>zum</strong> Zeitpunkt<br />
der <strong>Anhörung</strong> kurz vor einer erzwungenen Ausreise in das ehemalige Jugoslawien stand,<br />
formuliert. Dem ist wenig hinzuzufügen.<br />
Wir danken allen Beteiligten <strong>für</strong> ihren Einsatz und <strong>für</strong> ihre Beiträge. Die <strong>Anhörung</strong> ist auch deshalb<br />
ein Erfolg geworden, weil ein breites Bündnis aus Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaft sowie<br />
Migranten- und Flüchtlingsorganisationen die Durchführung der Veranstaltung organisatorisch<br />
und finanziell gewährleistet hat. Den Flüchtlingen gebührt Dank <strong>für</strong> ihren Mut, trotz der<br />
schwierigen Lebenssituation und der jahrelangen Einschüchterung durch die politischen und<br />
behördlichen Restriktionen die Bereitschaft aufzubringen, auf einer Großveranstaltung über die<br />
eigene Situation zu sprechen. Ein herzliches Dankeschön geht an den Hannoverschen Oberbürgermeister<br />
Herbert Schmalstieg <strong>für</strong> die Übernahme der Schirmherrschaft der <strong>Anhörung</strong>. Wir<br />
hoffen, dass die hier dokumentierte Veranstaltung den verdienten politischen Nachhall findet. Wir<br />
hoffen, „die Politiker hören dies und halten ihre Ohren offen“!<br />
Achim Beinsen (Niedersächsischer Flüchtlingsrat)<br />
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