Anhörung zum Bleiberecht für langjährig geduldete ... - Pro Asyl
Anhörung zum Bleiberecht für langjährig geduldete ... - Pro Asyl
Anhörung zum Bleiberecht für langjährig geduldete ... - Pro Asyl
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Christian Schwarz-Schilling - Internationaler Streitschlichter<br />
empfunden. Wenn sie sehen, wie in den Medien z.<br />
B. der Fall Kaplan bis zur Hysterie breitgetreten<br />
wird, dann stelle ich mir immer die Frage: Gut, da<br />
mögen ja bestimmte rechtsstaatliche Regelungen<br />
nicht vollkommen sein, sodass so einer krimineller<br />
Typ immer durchs Netz schlüpft und das tut, was er<br />
will. Richtig - so etwas muss unterbunden werden!<br />
Aber wer regt sich eigentlich auf bei den Tausenden<br />
von Menschen, die unschuldig sind und durch das<br />
Netz des Rechtsstaates fallen? (Applaus) Die nichts<br />
verbrochen haben, die nur friedlich hier mit uns leben<br />
wollen und daran gehindert werden und mit einer<br />
teilweise unmenschlichen Gewalt aus unserem<br />
Lande vertrieben werden? Nur in der allernächsten<br />
Umgebung, bei den Nachbarn, den Freunden, den<br />
Klassenkameraden, den Kollegen gibt es dann einmal<br />
einen Aufschrei der Empörung - doch bald<br />
wird alles wieder ruhig. Und die Politiker, die es eigentlich<br />
angeht, beruhigen sich ebenfalls und freuen<br />
sich, dass die lästigen Bittsteller nichts mehr von<br />
sich hören lassen - bis <strong>zum</strong> nächsten Fall. Die Gewöhnung<br />
an dieses Ritual ist wirklich besorgnis erregend.<br />
Es kann auch nicht die Entschuldigung gelten,<br />
dass Gesetze nie vollkommen sein können und<br />
dass immer wieder irgendwo Späne fallen, wo gehobelt<br />
wird. So leicht darf man das sich in der<br />
Politik nicht machen. In Wirklichkeit geht<br />
es gar nicht um individuelle Härtefälle, es<br />
geht um den "Härtefall Rechtsstaat Bundesrepublik<br />
Deutschland" in dem nämlich<br />
Gesetze gelten, die in einer völlig anderen<br />
Zeit gemacht worden sind und heute den<br />
Herausforderungen in keinster Weise gerecht<br />
werden können; oder es geht um Regelungen,<br />
wo sie schon vorausschauen können,<br />
dass sie zu einer Unzahl von schicksalmäßigen<br />
Verkettungen führen werden<br />
oder wo neue Regelungen zu Vorfällen mit<br />
Menschen führen, die auf unserem Boden<br />
mit uns zusammenleben wollen und wo es<br />
zu unendlichen Folgen von Ängsten führen<br />
wird. Das heißt also, hier liegt ein gravierender<br />
Systemfehler vor! Es ist nicht so,<br />
dass wir gute Gesetze haben, dass wir gute<br />
Verwaltungsvorschriften haben, und irgendwo<br />
haben wir etwas übersehen, sondern<br />
ein Systemfehler in der gesamten<br />
Handhabung auf diesem Gebiet ist seit geraumer<br />
Zeit deutlich sichtbar. Denn sonst<br />
könnten wir nicht Tausende solcher Fälle<br />
haben und jeden Tag irgendwo in der Bundesrepublik<br />
Deutschland werden ein/zwei<br />
neue Fälle bekannt (Applaus). Fälle, wo Eltern<br />
und Kindern oder eine ganze Familie<br />
in das Mahlwerk der Bürokratie geraten<br />
und ihres Lebens nicht mehr froh werden.<br />
ehemaliges Mitglied der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.<br />
Und ich möchte ihnen sagen, es geht ja jedem<br />
so: Man ist nicht 100 % mit seiner Partei zufrieden,<br />
sondern hat hier oder da einmal mehr oder<br />
weniger großen Dissens. Entscheidend ist meines<br />
Erachtens, dass man seine Dissense benennt, begründet<br />
und zu seinen eigenen Auffassungen steht.<br />
(Applaus) (Zur Bundesintegrationsbeauftragten<br />
Marie-Luise Beck gewandt) Ich erinnere mich noch<br />
sehr gut, wie Sie, Frau Beck in der Opposition sitzend<br />
über die ganz große Katastrophe Srebrenica<br />
im Deutschen Bundestag berichtet haben. Und das<br />
war, glaube ich, noch vor dem furchtbaren Massaker,<br />
war noch in der Zeit der Eingeschlossenheit der<br />
Bevölkerung, der Flüchtlinge in dieser Stadt, wo das<br />
Wasser chemisch verunreinigt worden ist und die<br />
biologischen Grundlagen der Bevölkerung mehr<br />
und mehr zerstört worden sind. Man hörte Sie an,<br />
etwas ungläubig aber keiner hat es besonders Ernst<br />
genommen. Und dann ist alles Schlimme passiert,<br />
was man sich nur vorstellen kann. Dazu will ich<br />
noch eines sagen: Wir sprechen immer vom 11.<br />
September - das war etwas Furchtbares, darüber<br />
gibt es keinen Zweifel - aber dass dreimal so viel<br />
Menschen innerhalb von drei bis vier Tagen in Sre-<br />
Sie wundern sich vielleicht, weil ich als Mitglied<br />
der CDU hier bin (Gelächter) oder als<br />
FLÜCHTLINGSRAT - Zeitschrift <strong>für</strong> Flüchtlingspolitik in Niedersachsen, Heft 102, Oktober 2004<br />
31