Anhörung zum Bleiberecht für langjährig geduldete ... - Pro Asyl
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Anke Wagener-Nordelbische Ev. Luth. Kirche<br />
Regelschule und strebt den Hauptschulabschluß an.<br />
Eine Operation am Herzen hat sie gut überstanden.<br />
Eine weitere Operation, um die Folgen einer Genitalverstümmelung<br />
zu behandeln, steht ihr noch bevor..<br />
Noch immer ist das Mädchen nicht in der Lage,<br />
alle grausamen Erinnerungen im Detail zu schildern.<br />
Trotz ihrer grausamen Vergangenheit und ihres<br />
schweren Schicksals ist der Aufenthaltsstatus<br />
nach wie vor nicht gesichert.<br />
Das sind drei Beispiele aus Hamburg. New Yorker<br />
und Londoner Zeitungen berichteten im Herbst<br />
2003, dass Hamburg die erste europäische Stadt ist,<br />
die Kinderrechte missachtet, weil sie nämlich Kinder<br />
abschiebt. Es gibt mehrere Tausend in Deutschland<br />
lebende Kinderflüchtlinge. Ihre Zahl ist in letzter<br />
Zeit nicht mehr konkret zu bennenen, weil nur<br />
die unter Sechzehnjährigen gezählt werden. Es gibt<br />
fragwürdige Alterseinschätzungen sowie Umverteilungen<br />
aus Großstädten wie Hamburg und Berlin in<br />
andere Bundesländer. Immer mehr Kinder leben<br />
deshalb in der Illegalität, melden sich gar nicht mehr<br />
bei den Behörden und schlafen in Wohnunterkünften,<br />
wo sich teilweise zwei Kinder ein Bett teilen<br />
müssen. Diese "Kinder in der Illegalität" können<br />
nicht erfasst und unterstützt werden.<br />
Kinderflüchtlinge aus den Hauptfluchtländern verfügen<br />
regelmäßig nicht über ein Aufenthaltsrecht,<br />
da sie nur selten eine politische Einzelverfolgung im<br />
klassischen Sinne nachweisen können? Der aufenthaltsrechtliche<br />
Status beschränkt sich, soweit kein<br />
Abschiebungshindernis festgestellt werden kann,<br />
weitgehend auf die Duldung des Aufenthaltes. Das<br />
<strong>Asyl</strong>verfahren ist rechtlich nicht kindgerecht ausgestaltet,<br />
Kinder werden dem gleichen Verfahren mit<br />
den gleichen Fragen unterzogen wie erwachsene<br />
Flüchtlinge. Solche Fragen lauten beispielsweise:<br />
"Wo warst Du aktiv?", "Wann bist Du gekommen?",<br />
"Wie sah das Schiff aus, mit dem Du gekommen<br />
bist?". Kinder, die häufig noch unter dem Eindruck<br />
der Flucht und der Schrecken im Heimatland stehen,<br />
sind mit diesen Fragen meistens völlig überfordert.<br />
Eigentlich sollte es ein sinnvolles Clearingverfahren<br />
geben, in welchem die individuelle Situation jedes einzelnen<br />
Kindes zu klären ist. Gemeint ist die Suche<br />
nach kinderspezifischen Fluchtgründen. Wird jedoch<br />
lediglich eine Duldung erteilt, so erschwert das<br />
jede angemessene pädagogische Weiterversorgung<br />
von Minderjährigen. Die psychosoziale Situation<br />
der Kinder, die ungewisse Lebensplanung und die<br />
ständige Angst vor der Abschiebung sind der Auslöser<br />
<strong>für</strong> eine Flucht Minderjähriger in die Illegalität.<br />
Teilhabe an der Gesellschaft ermöglicht. So verlangt<br />
es unser Grundgesetz und das achte Buch des Sozialgesetzbuches,<br />
das Kinder- und Jugendhilfegesetz.<br />
Denn die minderjährigen Flüchtlinge sind in erster<br />
Linie Kinder, und sie sollten auch als solche behandelt<br />
werden. Diese Kinder haben ein Recht auf<br />
Schule, auf Ausbildung, und auf Arbeit. Die Teilnahme<br />
an Schulreisen und Gruppenausflügen stellen<br />
beispielsweise immer wieder ein <strong>Pro</strong>blem dar,<br />
selbst wenn die Reise nur von Schleswig-Holstein<br />
nach Dänemark geht. Ich könnte noch zahlreiche<br />
Beispiele nennen, die zeigen, wie stark Flüchtlingskinder<br />
benachteiligt sind. Benachteiligungen erstrecken<br />
sich auf die Förderung im Rahmen der Jugendhilfe,<br />
auf das Leben in einem Familienverbund<br />
oder in gleichwertigen Gemeinschaften, auf den<br />
Schutz tragfähiger Bindungen, auf die gesundheitliche<br />
Versorgung, auf die individuelle Förderung zu<br />
einem eigenverantwortlichen Handeln und auf<br />
Wertschätzung und Liebe.<br />
Die Kinder haben das Recht auf einen gleichberechtigten<br />
Platz in unserer Gesellschaft. Und so wie<br />
die Kinder uns heute brauchen, so braucht die Gesellschaft<br />
diese Kinder morgen.. Sie werden einmal<br />
ihren sozialen Beitrag leisten, wie es Frau Beck bereits<br />
während dieser Veranstaltung formulierte.<br />
Herr Oberbürgermeister Schmalstieg wies darauf<br />
hin, dass die Länder leer aussehen werden, wenn wir<br />
keine Kinder haben. Und die Kinder selbst brauchen<br />
einfach eine Lebensperspektive und eine Zukunft.<br />
Da<strong>für</strong> setzen wir vom "Bundesfachverband<br />
Unbegleiteter Minderjähriger Flüchtlinge" uns ein.<br />
(Applaus)<br />
Hieraus ergeben sich folgende Forderungen:<br />
Langjährig in Deutschland lebende Flüchtlingskinder<br />
müssen unbedingt ein <strong>Bleiberecht</strong> erhalten, das<br />
ihren Aufenthalt absichert und eine gleichberechtigte<br />
FLÜCHTLINGSRAT - Zeitschrift <strong>für</strong> Flüchtlingspolitik in Niedersachsen, Heft 102, Oktober 2004<br />
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