Anhörung zum Bleiberecht für langjährig geduldete ... - Pro Asyl
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Christian Schwarz-Schilling - Internationaler Streitschlichter<br />
15. Für ein <strong>Bleiberecht</strong><br />
Dr. Christian Schwarz-Schilling, Internationaler Streitschlichter<br />
<strong>für</strong> Bosnien und Herzegovina<br />
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe<br />
Freunde,<br />
zunächst möchte ich mich bedanken, dass ich hier<br />
eine Einladung bekommen habe, um hier bei diesem<br />
Hearing dabei zu sein. Es ist schön, dass man<br />
wieder das Gefühl hat, dass man ja doch unter verschiedenen<br />
Gruppen und Menschen gleiche Auffassungen<br />
wiederfindet, die so unglaublich wichtig<br />
sind, wenn wir an die Menschenrechte denken.<br />
Wenn wir an das Schicksal der Menschen außerhalb<br />
Deutschlands denken, aber auch wenn wir an das<br />
Schicksal von Menschen in der Bundesrepublik<br />
Deutschland denken. Ich möchte mich also<br />
zunächst bedanken und auch <strong>für</strong> die eindrucksvollen<br />
Beiträge, die ich bisher hören durfte. Ich konnte<br />
leider nicht pünktlich kommen, weil ich in einem<br />
Stau stand und dadurch meine Ankunft hier verspätet<br />
war.<br />
Es war im Monat Mai, also vor drei Wochen etwa,<br />
da gab es innerhalb von einer Woche zwei Fälle: Der<br />
eine Fall, eine Familie aus der Türkei, über zehn Jahre<br />
hier, die Eltern werden abgeschoben, die drei<br />
Kinder bekommen davon Wind; sie sind schon auf<br />
dem Weg zur Schule - als sie dort davon erfahren,<br />
rennen sie aus der Schule weg und tauchen unter in<br />
die Illegalität. Die Eltern - abgeschoben nach Istanbul.<br />
Eine Woche später, genau das umgekehrte Beispiel:<br />
Die Mutter, schwer krank, kann nicht abgeschoben<br />
werden, der Vater ist mit seinem Sohn auf<br />
Reisen und wurde nicht angetroffen. Aber die anderen<br />
drei Kinder waren zu Hause, morgens um sechs<br />
wurden sie aufgefordert sich fertig <strong>zum</strong>achen, teilweise<br />
sogar mit Handschellen <strong>zum</strong> Flughafen gebracht<br />
und abgeschoben.<br />
Was hier gerade auch die Vertreter der Kirchen gesagt<br />
haben, sollte uns zutiefst anrühren. Wenn wir<br />
das Wort "christlich" überhaupt noch irgendwie<br />
in den Mund nehmen wollen,<br />
dann schreit es wirklich <strong>zum</strong> Himmel, wie<br />
wir durch behördliche Erlasse Familien<br />
auseinander sprengen und wahrscheinlich<br />
<strong>für</strong> ihr ganzes weiteres Leben ins Unglück<br />
stürzen. Dass dieses in unserem Lande<br />
geschieht, immer wieder geschieht, ist eigentlich<br />
<strong>für</strong> jeden, der politisch in diesem<br />
Lande tätig ist, unerträglich. Und ich<br />
möchte mich deswegen jetzt nicht auf die<br />
religiösen Fragen beziehen, da haben die<br />
Kirchen ihr Wort gesagt und andere ihre<br />
Beiträge geliefert. Aber wenn man in der<br />
Politik ist, dann hat man ja wohl als Oberstes<br />
da<strong>für</strong> zu sorgen, dass wir ein Rechtsstaat<br />
sind und bleiben. Doch wenn der<br />
Staat selber Unglück über Familien bringt<br />
und familiäre Tragödien produziert,<br />
kommt die Frage, was ist heute ein<br />
Rechtsstaat? Ich glaube, dass die Gratwanderung,<br />
die wir hier gehen, immer<br />
komplizierter und immer fragwürdiger<br />
wird. Aber dabei können wir nicht stehen<br />
bleiben.<br />
Was heute alles gemacht wird, um irgendein<br />
abstraktes Ziel von Recht zu erreichen,<br />
kann nicht durch konkretes Unrecht<br />
geschehen (Applaus). Alle Welt und<br />
hier natürlich auch unser Staat, regen sich<br />
darüber auf, wenn Kriminelle den Schutz<br />
unseres Staates suchen und bekommen;<br />
und dieses wird als schlimmes Unrecht<br />
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