Anhörung zum Bleiberecht für langjährig geduldete ... - Pro Asyl
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19. "Warum<br />
dürfen wir nicht zuhause bleiben"<br />
Suleyman Bulut<br />
Vor 12 Jahren kam ich mit meinen Eltern und meinen<br />
fünf jüngeren Geschwistern nach Deutschland.<br />
Es war im Mai 1992, da war ich gerade acht Jahre alt<br />
geworden. Heute bin ich also 20 Jahre alt. Zu unserer<br />
Familie sind in Deutschland noch die jetzt l0-<br />
jährige Suzan und die 6-jährige Leyla hinzugekommen.<br />
Als uns damals die Flucht aus der Türkei gelungen<br />
war, hatten wir große und berechtigte Hoffnung,<br />
hier in Deutschland nicht nur kurzfristig Zuflucht,<br />
sondern ein <strong>Bleiberecht</strong> <strong>für</strong> immer zu bekommen.<br />
Diese Hoffnung wuchs noch, als Mitte<br />
der 90er Jahre die Geschwister meiner Eltern aufgrund<br />
der genau gleichen Verfolgungsgeschichte<br />
von verschiedenen Gerichten als <strong>Asyl</strong>berechtigte<br />
anerkannt wurden. Verschiedene Gerichte darum,<br />
weil es sich um mehrere Familien in unterschiedlichen<br />
Wohnorten oder gar anderen Bundesländern<br />
handelte. Nur unser AsyIverfahren, das nun weit<br />
mehr als ein ganzes Jahrzehnt gedauert hat, und das<br />
von andauernder Angst vor Abschiebung geprägt<br />
war, kommt erst jetzt, nach 12 Jahren, zu einem<br />
traurigen Abschluss. Mein durch Folter schwer traumatisierter<br />
Vater sowie auch meine Mutter, die viel<br />
Leid ertragen hat, dürfen zusammen mit meinen<br />
jüngeren Geschwistern <strong>für</strong> immer in Deutschland<br />
bleiben. Nicht bleiben dürfen mein zwei Jahre jüngerer<br />
Bruder und ich.<br />
Die Länge des Verfahrens hat uns volljährig werden<br />
lassen, und diese Volljährigkeit wurde uns <strong>zum</strong> Verhängnis.<br />
Als am 29. April diesen Jahres in Lüneburg<br />
das Urteil mündlich verkündet wurde, war Mustafa<br />
sogar noch 17 - also formal noch nicht einmal volljährig!<br />
Ich bin in diesem Land zehn Jahre zur Schule gegangen.<br />
Vor fast zwei Jahren habe ich in Wathlingen,<br />
Landkreis Celle, meinen erweiterten Realschulabschluss<br />
gemacht. Im Anschluss daran wollte ich<br />
eine Lehre als Bankkaufmann anfangen. Einen Ausbildungsplatz<br />
hatte ich bereits in Aussicht. Nur beginnen<br />
durfte ich die Lehre nicht, wegen meinem<br />
unsicheren Status als <strong>Asyl</strong>bewerber. Ich habe mich<br />
aber nicht entmutigen lassen und begann mit dem<br />
Besuch der einjährigen Höheren Handelsschule.<br />
Bald wurde ich von der Ausländerbehörde aufgefordert,<br />
den Schulbesuch zu unterlassen. Ich sollte<br />
gemeinnützige Arbeit leisten. Das hätte ich auch gut<br />
neben der Schule machen können. Doch darauf<br />
ging die Behörde nicht ein. Ich wollte so gerne weiter<br />
zur Schule gehen und versuchte, mich durchzusetzen.<br />
Daraufhin wurde die Hilfe <strong>zum</strong> Lebensun-<br />
Suleyman Bulut<br />
FLÜCHTLINGSRAT - Zeitschrift <strong>für</strong> Flüchtlingspolitik in Niedersachsen, Heft 102, Oktober 2004<br />
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