Zwischen Zwei Welten: Vietnamesische VertragsarbeiterInnen in ...
Zwischen Zwei Welten: Vietnamesische VertragsarbeiterInnen in ...
Zwischen Zwei Welten: Vietnamesische VertragsarbeiterInnen in ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
anderen Vertragsarbeiter. 84 Anhand dieser Ausführungen ist deutlich zu sehen, wie stark sich<br />
die Wohnsituationen der vietnamesischen Vertragsarbeiter vone<strong>in</strong>ander unterschieden.<br />
E<strong>in</strong> generelles Problem vieler vietnamesischer Vertragsarbeiter <strong>in</strong> der DDR war, laut Herrn<br />
V<strong>in</strong>h L.V., die Sprachbarriere, welche langfristig zu e<strong>in</strong>er Abkapselung und Gruppenbildung<br />
führte. Deshalb pflegten nur wenige Vietnamesen Kontakte zu deutschen Bürgern und<br />
Arbeitskollegen. <strong>Zwischen</strong>menschliche Beziehungen zwischen Vertragsarbeitern und<br />
Deutschen, vor allem zwischen Männern und Frauen, waren streng untersagt. Deshalb<br />
verbrachten viele Vietnamesen, wie schon erwähnt, ihre Freizeit <strong>in</strong> ihren Wohnungen<br />
beziehungsweise Wohnheimen. Doch gerade hier beschränkten sich die Freizeitangebote oft<br />
nur auf Tanzabende <strong>in</strong> den Klubräumen, Fernsehen und Lesen, soweit fremdsprachige<br />
Literatur und Filme vorhanden waren. Mangelndes Angebot an Sportstätten reduzierte die<br />
sportlichen Betätigungen meist auf Tischtennis. 85 Herr Long N.D. berichtet, dass <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />
Wohnheim <strong>in</strong> Rostock-Lichtenhagen die Hauptbeschäftigung am Wochenende aus<br />
Geburtstagsfeiern bestand. Bei 500 Mitbewohnern ergab sich se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach sehr oft<br />
die Möglichkeit zum geselligen Beisammense<strong>in</strong>. Bei diesen Festen wurde bewusst auf e<strong>in</strong>e<br />
deutsche Ausrichtung Wert gelegt. Die Vietnamesen wollten sie wie Deutsche ausrichten und<br />
stellten dabei ihre vietnamesischen Traditionen h<strong>in</strong>ten an. 86 Interessant <strong>in</strong> den Aussagen von<br />
Herrn Long N.D. ist auch, dass auf diese Feste regelmäßig auch deutsche Arbeitskollegen<br />
e<strong>in</strong>geladen wurden. So lässt sich der nicht vorhandene Kontakt zwischen Deutschen und<br />
vietnamesischen Vertragsarbeitern, auf den auch Herr V<strong>in</strong>h L.V. im Interview h<strong>in</strong>gewiesen<br />
hat, nicht pauschalisieren, sondern muss immer <strong>in</strong>dividuell h<strong>in</strong>terfragt werden. Festzuhalten<br />
ist jedoch, dass sich viele Vietnamesen <strong>in</strong> Deutschland, auch noch nach mehrjährigem<br />
Aufenthalt, fremd fühlten. Abseits von der Heimat, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em fremden Land, getrennt von der<br />
Familie, hatten viele von ihnen das Bedürfnis nach Vertrautheit und Bekanntem. In den<br />
Wohnheimen schufen sie sich deshalb, soweit dies möglich war, e<strong>in</strong>e Parallelwelt.<br />
Auf e<strong>in</strong>e ganz andere Art und Weise opferten viele vietnamesische Vertragsarbeiter ihre<br />
Freizeit, um e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>tensiven Handelstätigkeit nachzugehen, mit dem Zweck, ihre Familien <strong>in</strong><br />
Vietnam zu versorgen und abzusichern: „Nach E<strong>in</strong>schätzung der Abteilung II der MfS 87 -<br />
Bezirksverwaltung Halle im September 1988 waren bis zu 50% der vietnamesischen<br />
Vertragsarbeiter <strong>in</strong> unversteuerte nebenberufliche Tätigkeiten und <strong>in</strong> Spekulationen<br />
84 Vgl.: Interview Herr V<strong>in</strong>h L.V.; zum Folgenden, ebenda.<br />
85 Vgl.: Müggenburg, S. 15.<br />
86 Vgl.: Interview Herr Long N.D..<br />
87 Abk.: M<strong>in</strong>isterium für Staatssicherheit.<br />
28