Zwischen Zwei Welten: Vietnamesische VertragsarbeiterInnen in ...
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Um den regionalen Bezug zu Rostock und die Thematik der selbstständigen<br />
Unternehmensgründung vietnamesischer Vertragsarbeiter nach der deutschen<br />
Wiedervere<strong>in</strong>igung zu veranschaulichen, wird im Folgenden auf die Arbeits- und<br />
Lebensgeschichte von Frau Nguyen T.B.T. e<strong>in</strong>gegangen. Anhand ihrer Erfahrungen lässt sich<br />
die Situation der ehemaligen vietnamesischen Vertragsarbeiter <strong>in</strong> der Nachwendezeit <strong>in</strong><br />
Rostock sehr gut nachvollziehen.<br />
Ihr ursprünglicher Berufswunsch <strong>in</strong> Vietnam Lehrer<strong>in</strong> zu werden scheiterte an ihren, für<br />
diesen Berufszweig notwendigen, nicht ausreichenden Abschlussnoten. 216 Daraufh<strong>in</strong> arbeitete<br />
Frau Nguyen T.B.T. als Warenzähler<strong>in</strong> <strong>in</strong> der vietnamesischen Hafenstadt Hải Phòng. Die<br />
Entscheidung als Vertragsarbeiter<strong>in</strong> <strong>in</strong> die DDR zu gehen wurde von ihrer Mutter <strong>in</strong>itiiert,<br />
woraufh<strong>in</strong> Frau Nguyen T.B.T. 1984 im Alter von 18 Jahren <strong>in</strong> die DDR e<strong>in</strong>reiste. Ohne<br />
Vorkenntnisse auf diesem Gebiet wurde sie im Rostocker Seehafen als Köch<strong>in</strong> ausgebildet<br />
und arbeitete dort bis zur Auflösung der DDR. Die Wendezeit beschreibt Frau Nguyen T.B.T.<br />
als e<strong>in</strong>e, für alle vietnamesischen Vertragsarbeiter, sehr schwierige Übergangszeit. Im Zuge<br />
der Wende wurde Frau Nguyen T.B.T. ihre Arbeitsstelle als Köch<strong>in</strong> gekündigt. Durch die<br />
Geburt ihres Sohnes 1990 und die damit verbundene Verantwortung, verbrachte Frau Nguyen<br />
T.B.T. die nächsten drei Jahre hauptsächlich als Hausfrau. Diese Zeit der Arbeitslosigkeit<br />
beschreibt sie als sehr schwer und unsicher, da sie und ihr Mann nicht wussten, wie und wo<br />
sie genügend f<strong>in</strong>anzielle Mittel auftreiben sollten, um <strong>in</strong> Deutschland zu überleben.<br />
Gelegenheitsjobs als Verkäufer<strong>in</strong> auf Märkten, als Putzgehilf<strong>in</strong> <strong>in</strong> K<strong>in</strong>os oder anderen<br />
Betrieben verhalfen ihr zu e<strong>in</strong>em ger<strong>in</strong>gen, aber essentiellen E<strong>in</strong>kommen. Ab 1994 entschied<br />
sich Frau Nguyen T.B.T., als ausgebildete und erfahrene Köch<strong>in</strong>, den Schritt <strong>in</strong> die<br />
Selbstständigkeit zu wagen. Den Grund für diese Entscheidung sah sie <strong>in</strong> den deutlich<br />
besseren Verdienstmöglichkeiten, der Unabhängigkeit und der Flexibilität.<br />
Der Entschluss zur Selbstständigkeit wurde schnell gefasst, doch bis zu dessen Realisierung,<br />
so Nguyen T.B.T., war es e<strong>in</strong> weiter Weg. Die Gründung e<strong>in</strong>es eigenen Unternehmens, im<br />
Fall von Frau Nguyen T.B.T. war dies zu Beg<strong>in</strong>n die Eröffnung e<strong>in</strong>es Imbisses, stellte die<br />
ausländischen Bürger vor teils unüberw<strong>in</strong>dbare Schwierigkeiten. Alle<strong>in</strong> die F<strong>in</strong>anzierung der<br />
gewünschten Projekte erwies sich <strong>in</strong> vielen Fällen schwer. Im Unterschied zu Deutschen, war<br />
es für Ausländer, alle<strong>in</strong> wegen den beschränkten Aufenthaltsbefugnissen, erheblich<br />
schwieriger, sogar oftmals unmöglich, Bankkredite zur Unternehmensgründung zu<br />
bekommen. Deshalb, so Nguyen T.B.T., verließen sich viele Vietnamesen auf die Hilfe der<br />
216 Vgl.: Gesprächsrunde Diên Hông e.V.; zum Folgenden, ebenda.<br />
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