Zwischen Zwei Welten: Vietnamesische VertragsarbeiterInnen in ...
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Bundesrepublik Deutschland oder Ungarn, die krisenhafte Entwicklung <strong>in</strong> den 80er Jahren<br />
und die bewusste Ablehnung des SED Staates, festigte diese Gruppen und trieb deren<br />
Politisierung und Ideologisierung voran.<br />
In Bezug auf diese Jugendkulturen ist es <strong>in</strong>teressant zu sehen, dass laut Umfragen junge<br />
ostdeutsche Ausländer deutlich negativer bewerteten und entschiedener ablehnten als ältere<br />
Bürger. Frank Neubacher verweist hier auf e<strong>in</strong>e Studie, die aufzeigt, dass e<strong>in</strong>e Gruppe von<br />
Lehrl<strong>in</strong>gen zu 70 % der Me<strong>in</strong>ung gewesen sei, es gäbe zu viele Ausländer <strong>in</strong> der DDR, und<br />
e<strong>in</strong>e Schulklasse der 9. Jahrgangsstufe zu 60 % dieser Aussage zustimmte. 161 Als Grund für<br />
diese Aussagen nennt Neubacher den ger<strong>in</strong>gen Kenntnisstand der Jugendlichen über das<br />
Alltagsleben der nichtdeutschen Bevölkerung. Nur etwa 23 % der befragten Jugendlichen<br />
gaben an, gut über das Leben der Ausländer <strong>in</strong> der DDR <strong>in</strong>formiert zu se<strong>in</strong>: „Als<br />
Informationsquellen über das Alltagsleben von Ausländern nennen 61 % Gespräche im<br />
Freundes- und Bekanntenkreis. Es folgen Gespräche <strong>in</strong> der Familie (53 %), die Medien (45<br />
%) und zuletzt direkte Kontakte zu Ausländern (11 %)“. 162 Darüber h<strong>in</strong>aus gaben rund 77 %<br />
der befragten Jugendlichen an, dass direkte Kontakte zu Ausländern nur e<strong>in</strong>e untergeordnete<br />
Rolle für die Informationen über deren Alltagsleben spielen würden. 163 Neubacher fügt h<strong>in</strong>zu,<br />
dass gerade der hohe Anteil an Jugendlichen, der se<strong>in</strong>e Informationen im Freundes- und<br />
Bekanntenkreis erwarb, bedenklich gewesen sei, denn diese <strong>in</strong>formellen Gruppen hatten e<strong>in</strong>en<br />
höheren Grad an Subjektivität. Die Tendenz der Weitergabe von Stimmungen und<br />
Me<strong>in</strong>ungen, fernab jeglicher Objektivität, waren, laut Neubacher, e<strong>in</strong>e große Gefahr für die<br />
Zunahme von Zerr- und Fe<strong>in</strong>dbildern. Das hohe Aggressionspotential gegenüber Ausländern<br />
<strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>ation mit dem fehlenden Kontakt zu selbigen, hat für Neubauer e<strong>in</strong>en nahezu<br />
paradoxen Charakter, weshalb er diese Problematik als „Ausländerfe<strong>in</strong>dlichkeit ohne<br />
Ausländer“ betitelt. Die Urteile gegenüber Ausländern basierten meist auf Vorurteilen. Wie<br />
bereits erwähnt, führten der ger<strong>in</strong>ge Ausländeranteil und die e<strong>in</strong>geschränkte Reisemöglichkeit<br />
<strong>in</strong> fremde Kulturkreise bei der Mehrheit der DDR-Bevölkerung zu e<strong>in</strong>em Mangel an Toleranz<br />
im Umgang mit anderen ethnischen Gruppen. Durch den ger<strong>in</strong>gen Kontakt zu Ausländern und<br />
der großen Abneigung gegenüber diesen seitens der Bevölkerung, folgen die E<strong>in</strong>stellungen<br />
gegenüber Ausländern e<strong>in</strong>deutig rassistischen Idealen, Vorgaben und Vorurteilen. Starke<br />
Ablehnung erfuhren vor allem Ausländer, die „als solche leicht zu erkennen [waren] und aus<br />
161 Vgl.: Neubacher, S. 87.<br />
162<br />
Ebenda.<br />
163<br />
Ebenda, S. 88; zum Folgenden, ebenda, S. 88 ff.<br />
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