Zwischen Zwei Welten: Vietnamesische VertragsarbeiterInnen in ...
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Anlagen. Trotzdem galten vor allem die vietnamesischen Arbeitskräfte aus der Sicht des<br />
Staatssekretariats als außerordentlich produktiv:<br />
„Die vietnamesischen Werktätigen kommen mit e<strong>in</strong>er hohen Diszipl<strong>in</strong> und<br />
Arbeitsmoral <strong>in</strong> die Betriebe. Sie nutzen ihre Arbeitszeit voll aus, arbeiten mit großer<br />
Intensität und s<strong>in</strong>d zu e<strong>in</strong>em großen Teil auf Grund ihrer Qualifikation <strong>in</strong> der Lage,<br />
nach e<strong>in</strong>er relativ kurzen E<strong>in</strong>arbeitungszeit die Leistungskennziffer zu erreichen und<br />
zu überbieten.“ 97<br />
Neben den Vertragsarbeitern, die als Schichtarbeiter <strong>in</strong> den Betrieben arbeiteten, gab es noch<br />
e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Gruppe privilegierter Vertragsarbeiter, die bevorzugt als Gruppenleiter oder<br />
Dolmetscher fungierten. Zu dieser zweiten Gruppe gehörten Herr Long N.D. und Herr V<strong>in</strong>h<br />
L.V.. Herr Long N.D. hatte vor se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>reise bereits <strong>in</strong> Vietnam e<strong>in</strong> vierjähriges Studium<br />
der Germanistik abgeschlossen. 98 Durch diese Vorkenntnisse <strong>in</strong> Deutsch konnte er nach se<strong>in</strong>er<br />
E<strong>in</strong>reise 1984 sofort als Dolmetscher im Seehafen Rostock und als Gruppenleiter e<strong>in</strong>es<br />
Wohnheims <strong>in</strong> Rostock-Lichtenhagen anfangen. Die Vertragsarbeiter wurden je nach Betrieb<br />
<strong>in</strong> verschiedene Gruppen aufgeteilt. Diesen Gruppen wurde e<strong>in</strong> Gruppenleiter, e<strong>in</strong><br />
stellvertretender Gruppenleiter und 2 bis 4 Dolmetscher zugeteilt. Die Aufgabenbereiche von<br />
Herrn Long N.D. als Gruppenleiter beschränkten sich hierbei fast ausschließlich auf die<br />
Arbeit im Wohnheim. Nur bei Notfällen konnte auch er als Dolmetscher an andere Orte<br />
beordert werden. Die Arbeit im Wohnheim beschreibt er als sehr anspruchsvoll. Zu se<strong>in</strong>en<br />
Aufgaben gehörten die Wohnungsvergabe, die Betriebszuordnung der jeweiligen Arbeiter, die<br />
Postdienste und die Jugendleitung. Darüber h<strong>in</strong>aus war Herr Long N.D. der<br />
Gewerkschaftsvorsitzende der vietnamesischen Arbeiter <strong>in</strong> Rostock, der<br />
Warenausfuhrbeauftragte aller Hausbewohner für deren Sendungen <strong>in</strong> die Heimat und der<br />
Ansprechpartner für das Zollamt und die vietnamesische Botschaft. Als<br />
Gewerkschaftsmitglied und als Mitglied der FDJ, der Freien Deutschen Jugend, genoss Herr<br />
Long N.D. gewisse Privilegien. Durch Reisen nach Tschechien und Polen, sowie überregional<br />
stattf<strong>in</strong>dende Gewerkschaftstreffen bekam Herrn Long N.D. Freiheiten, die nur wenigen<br />
Vertragsarbeitern zu Teil wurden.<br />
Auf Umwegen gelang es Herrn V<strong>in</strong>h L.V. sich e<strong>in</strong>e gehobene Position als Vertragsarbeiter zu<br />
erarbeiten. Nachdem er 1976 <strong>in</strong> die DDR e<strong>in</strong>gereist war, begann er e<strong>in</strong>e Berufsausbildung als<br />
Pressmasch<strong>in</strong>enbauer im Komb<strong>in</strong>at Erfurt. 99<br />
Ziel se<strong>in</strong>es DDR-Aufenthaltes war es, e<strong>in</strong>e<br />
Ausbildung zu absolvieren um später nach Vietnam zurückzukehren, um dort als Fachkraft<br />
97<br />
Dennis, S. 33.<br />
98 Vgl.: Interview Herr Long N.D.; zum Folgenden, ebenda.<br />
99 Vgl.: Interview Herr V<strong>in</strong>h L.V.; zum Folgenden, ebenda.<br />
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