Zwischen Zwei Welten: Vietnamesische VertragsarbeiterInnen in ...
Zwischen Zwei Welten: Vietnamesische VertragsarbeiterInnen in ...
Zwischen Zwei Welten: Vietnamesische VertragsarbeiterInnen in ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
das Vorkommen von Konflikten meist verne<strong>in</strong>t. E<strong>in</strong>zig Herr Thai V.D. gab zu erkennen, dass<br />
Vietnamesen Gefahr liefen, auf der Straße beleidigt zu werden. Doch se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach,<br />
f<strong>in</strong>det sich solches Verhalten auch an vielen anderen Orten weltweit. 140 Anhand dieser<br />
Aussagen ist die Schwierigkeit zu erkennen, von vietnamesischen Zeitzeugen kritische<br />
Me<strong>in</strong>ungen zu diesem Thema zu bekommen. Dieser Auffassung war auch Felix Mühlberg:<br />
„Me<strong>in</strong> Anliegen, von Vietnamesen etwas über Fremdenhass, die Ausländerfe<strong>in</strong>dlichkeit <strong>in</strong> der<br />
DDR zu erfahren, musste ich schnell aufgeben.“ 141 Viele Belege und Berichte zeigen jedoch<br />
unweigerlich, dass Fremdenfe<strong>in</strong>dlichkeit <strong>in</strong> der DDR-Bevölkerung gegenüber den Ausländern<br />
existierte und offen praktiziert wurde. Über deren Entstehung und H<strong>in</strong>tergründe wird im<br />
Folgenden näher e<strong>in</strong>gegangen.<br />
Frank Schumann führt die Ablehnung von Ausländern und die Intoleranz gegenüber<br />
Andersdenkenden und Andersaussehenden <strong>in</strong> der DDR hauptsächlich auf die weitgehende<br />
Isolierung der DDR-Bürger zurück. 142 Der <strong>in</strong> der DDR praktizierte Gedanke des<br />
proletarischen Internationalismus und der grenzüberschreitenden Solidarität, unter dem die<br />
ausländischen Vertragsarbeiter <strong>in</strong>s Land geholt wurden, verkam, aus Schumanns Sicht, zur<br />
Abstraktion. Die Begegnungen von DDR-Bürgern mit Ausländern beschränkten sich fast<br />
ausschließlich auf offizielle Treffen wie Freundschaftstreffen, Festivals, Kollektivreisen und<br />
Delegationsbesuche. DDR-Bürgern und vor allem Jugendlichen wurde die Möglichkeit zu<br />
<strong>in</strong>dividuellen Begegnungen und Erlebnissen mit Ausländern so gut wie nie gewährt. Generell<br />
gab es für DDR-Bürger nur begrenzte Reisemöglichkeiten - e<strong>in</strong>zig die Tschechoslowakische<br />
Sozialistische Republik (ČSSR) war <strong>in</strong> den 80er Jahren ohne Visum erreichbar: „Fremde<br />
Kulturen wurden, wenn überhaupt, nur per Medien wahrgenommen, e<strong>in</strong>e aktive<br />
Ause<strong>in</strong>andersetzung mit ihnen konnte nicht erfolgen.“ 143 Die DDR-Bürger waren, laut<br />
Schumann, <strong>in</strong> jeder H<strong>in</strong>sicht e<strong>in</strong>gemauert und zur Prov<strong>in</strong>zialität verurteilt. Die jahrelange<br />
Abschottung führte notgedrungen zu e<strong>in</strong>er „geistigen Enge“ und „Kurzsichtigkeit“ und<br />
etablierte <strong>in</strong> den Köpfen der DDR-Bevölkerung e<strong>in</strong> eurozentrisches Weltbild, das sich bei<br />
vielen Ostdeutschen noch zusätzlich auf das eigene Land reduzierte. Schumann fügt h<strong>in</strong>zu,<br />
dass die von der DDR-Regierung propagierte nationale Arroganz und überhöhte<br />
Selbstdarstellung <strong>in</strong> Bezug auf die Stellung der DDR <strong>in</strong> der Welt, diesen Prov<strong>in</strong>zialismus<br />
verstärkte und dazu führte, dass das Wissensvakuum vieler Bürger über die tatsächliche<br />
Beschaffenheit der D<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em überheblichen Nationalstolz gipfelte.<br />
140 Vgl.: Interview Herr Thai V.D..<br />
141<br />
Mühlberg, S. 49.<br />
142 Vgl.: Schumann, S. 29; zum Folgenden, ebenda, S. 29 ff.<br />
143<br />
Ebenda.<br />
46