Zwischen Zwei Welten: Vietnamesische VertragsarbeiterInnen in ...

3.3 Der Weg in die Selbstständigkeit als einzige Rettung
Laut Statistik befanden sich 1996 rund 300 Personen der rund 590 ehemaligen
vietnamesischen Vertragsarbeiter Rostocks in einem Arbeitsverhältnis oder waren
selbstständig. Diese ausgeübten Tätigkeiten boten jedoch meist weder eine realistische
Zukunftsperspektive, noch ausreichend Versicherungsschutz, da bei vielen Arbeiten nicht
einmal Sozialversicherungsbeiträge geleistet wurden: „Im Grunde [handelte] es sich bei dieser
Gruppe um Personen, die sozusagen Hauptberuflich einer Nebentätigkeit [nachgingen].“ 207
Herr Nguyen Do Thinh unterscheidet zwei Hauptgruppen von arbeitenden ehemaligen
vietnamesischen Vertragsarbeitern in Rostock:
Zum einen die abhängigen Beschäftigten, die oft in kleinen Familienbetrieben, überwiegend
im Gastronomiebetrieb oder im ambulanten Handel, arbeiteten, aber extrem wenig verdienten.
Nur in Ausnahmefällen arbeiteten die Menschen dieser ersten Gruppe eine volle Woche,
sondern vorwiegend auf Stundenbasis für kurze Zeit am Tag. Dieses Leben am
Existenzminimum zeigt deutlich, wie weit entfernt die ehemaligen vietnamesischen
Vertragsarbeiter von einer realistischen und auf Dauer funktionierenden Lebensplanung
waren.
Zum anderen führt Nguyen Do Thinh die Gruppe der selbstständigen Unternehmer an, die oft
viele Stunden am Tag hart arbeiteten und dabei finanziell nur schwer ihren Grundbedarf
abdecken konnten. Diese Personen hatten oft nur ein Mindestmaß an Absicherung im
Krankheitsfall, da sie ihre Krankenversicherungen ohne Krankengeldoption und darüber
hinaus keine Invaliditäts- und Altersvorsorge abschlossen.
Dadurch dass die Mehrheit der ehemaligen vietnamesischen Vertragsarbeiter den Weg in die
Selbständigkeit als die beste Chance auf Lebensunterhaltssicherung empfand, eröffnete sie
Imbissbuden, Marktstände, Blumenstände oder kleine Restaurantbetriebe in denen oft die
ganze Familie mitarbeitete. Diese Eigeninitiative unter den vietnamesischen Vertragsarbeitern
führt Karin Weiss auf den Zwang zur Selbständigkeit während und nach der Wende zurück.
Durch den hohen Mangel an Arbeitsplätzen bot dieser Weg die besten Voraussetzungen für
207
Nguyen, S. 2; zum Folgenden, ebenda, S. 2 ff.
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