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Infodienst Krankenhäuser Nr. 60 - Gesundheit & Soziales - Ver.di

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ser in Deutschland in Folge <strong>di</strong>eser<br />

objektiven Effizienzmängel öffentlicher<br />

Kliniken relativ weit fortgeschritten<br />

ist. <strong>Gesundheit</strong> darf nicht<br />

ökonomisch gesehen werden, lautet<br />

<strong>di</strong>e ideologische Prämisse, <strong>Gesundheit</strong><br />

soll keine »Ware« sein.<br />

Dabei wird übersehen, dass große<br />

Teile des <strong>Gesundheit</strong>ssektors und<br />

der me<strong>di</strong>zinischen <strong>Ver</strong>sorgung von<br />

Anfang an kapitalistisch organisiert<br />

waren und weiter werden und das<br />

ökonomische Wachstum <strong>di</strong>eses<br />

Dienstleistungsbereichs gerade deshalb<br />

so voranschreitet, weil mit<br />

me<strong>di</strong>zinischen und me<strong>di</strong>zinnahen<br />

Produkten und Dienstleistungen<br />

Geld ver<strong>di</strong>ent werden kann.<br />

Die Entwicklung der Sozialversicherung<br />

selbst und <strong>di</strong>e damit verbundene<br />

Schaffung von neuen Einkommen<br />

durch <strong>di</strong>e gebündelte<br />

Nachfrage der Sozialversicherung<br />

hat ein wichtiges Wachstumsfeld<br />

auch der kapitalistischen Ökonomie<br />

und der ihr eigenen Dynamik eröffnet.<br />

2. Die Schwäche öffentlicher<br />

Krankenhäuser<br />

Umgekehrt müssen wir doch<br />

fragen, ob <strong>di</strong>e rasche und relativ<br />

widerstandsarme Privatisierung<br />

öffentlicher Krankenhäuser nach<br />

1990 in Deutschland nicht zentral<br />

durch <strong>di</strong>e marode ökonomischen<br />

Situation und den technischen<br />

Entwicklungsrückstand <strong>di</strong>eser<br />

Krankenhäuser und den offenen<br />

Unwillen der Politik und vieler<br />

Akteure des Krankenhauses, daran<br />

etwas zu ändern, begünstigt worden<br />

ist.<br />

Der ökonomische Entwicklungsrückstand<br />

öffentlicher Krankenhäuser<br />

ist im Wesentlichen auf zwei<br />

Faktoren zurückzuführen. Einmal<br />

<strong>di</strong>e unzureichende Finanzierung der<br />

Investitionen durch <strong>di</strong>e Bundesländer<br />

und zum zweiten durch eine<br />

überholte stän<strong>di</strong>sch geprägte Arbeitsorganisation,<br />

<strong>di</strong>e nach wie vor<br />

durch das Rent-Seeking der leitenden<br />

Ärzte bestimmt wird. In beiden<br />

Fragen ist der Krankenhaussektor in<br />

Bewegung geraten.<br />

Einmal sind auch durch <strong>di</strong>e Privatisierung<br />

<strong>di</strong>e Investitionen in Sachkapital,<br />

also in das Anlagevermögen<br />

der Krankenhäuser gestiegen,<br />

weil <strong>di</strong>e Kapitalmärkte nicht nur<br />

über <strong>di</strong>e Staatsanleihen, sondern<br />

auch über Unternehmensanleihen<br />

und <strong>di</strong>e Börse Kapital in den<br />

Krankenhaussektor eingebracht<br />

haben.<br />

Möglicherweise führt <strong>di</strong>ese Finanzierung<br />

über <strong>di</strong>e Kapitalmärkte zu<br />

ideologischen Irritationen. Diese<br />

sind aber irrational, weil sich <strong>di</strong>e<br />

Gebietskörperschaften ebenso über<br />

Staatsanleihen Geld auf den Kapitalmärkten<br />

beschaffen.<br />

Was <strong>di</strong>e stän<strong>di</strong>sche und hierarchische<br />

Arbeitsorganisation der öffentlichen<br />

Krankenhäuser betrifft, so<br />

hatte bereits Marx darauf hingewiesen,<br />

dass es eine der »zivilisatorischen<br />

Seiten des Kapitals (ist),<br />

dass es <strong>di</strong>ese Mehrarbeit in einer<br />

Weise und unter Be<strong>di</strong>ngungen<br />

erzwingt, <strong>di</strong>e der Entwicklung der<br />

Produktivkräfte, der gesellschaftlichen<br />

<strong>Ver</strong>hältnisse und der Schöpfung<br />

der Elemente für eine höhere<br />

Neubildung vorteilhafter sind als<br />

unter den früheren Formen« (MEW<br />

25, 827).<br />

Mit den früheren Formen meinte<br />

er damals Leibeigenschaft und<br />

Sklaverei, aber als Abgrenzung der<br />

kapitalistischen Entwicklungsdynamik<br />

von der stän<strong>di</strong>schen<br />

Krankenhausorganisation mit <strong>di</strong>rekten<br />

Formen von personaler Herrschaft<br />

der Chefärzte mit ihren<br />

Pools für das nachgeordnete Personal<br />

gilt auch <strong>di</strong>ese Aussage.<br />

3. Krankenhäuser als<br />

kapitalistische Unternehmen<br />

Politik und Sozialversicherung<br />

hatten sich schon in den 1990er<br />

Jahren darauf verstän<strong>di</strong>gt, dass<br />

Krankenhäuser wie wirtschaftliche<br />

Unternehmen auf Wettbewerbsmärkten<br />

zu führen sind.<br />

Das Instrument dafür waren zunächst<br />

Budgetierungen und danach<br />

<strong>di</strong>e DRGs, also <strong>di</strong>agnoseorientierte<br />

Preise für me<strong>di</strong>zinische Leistungen,<br />

<strong>di</strong>e anders als in Wettbewerbsmärkten<br />

nicht als Marktpreise gebildet<br />

werden, sondern aus repräsentativen<br />

Produktionskosten im Rahmen<br />

eines vom Institut für <strong>di</strong>e Entgeltfindung<br />

in Krankenhäusern (InEK)<br />

moderierten <strong>Ver</strong>fahrens ermittelt<br />

werden.<br />

Diese Fallkosten sinken mit den<br />

durch <strong>di</strong>e DRGs durchgesetzten Rationalisierungsprozessen<br />

und setzen<br />

über sinkende Erlöse weitere Rationalisierungsprozesse<br />

durch. Faktisch<br />

haben wir mit der Einführung <strong>di</strong>eser<br />

DRGs 2003/2004 und ihrer <strong>Ver</strong>einheitlichung<br />

im Rahmen der Konvergenzphase<br />

bis 2010 einen Produktionskostenwettbewerb<br />

unter<br />

den Krankenhäusern bekommen.<br />

Damit sind auch öffentliche<br />

Krankenhäuser zu kapitalistischen<br />

Unternehmen geworden, ungeachtet<br />

ihrer Rechtsform und ungeachtet<br />

ihrer Eigentumsverhältnisse.<br />

In <strong>di</strong>esen Fragen verfügen wir inzwischen<br />

auch über entsprechende<br />

wirtschafts- und sozialwissenschaftliche<br />

Literatur 1 . <br />

Tarif- und<br />

Branchenpolitik<br />

1 Siehe Nils Böhlke u.a. (Hg.), Privatisierung von Krankenhäusern,<br />

Hamburg 2009, Boris Augurzky u.a., Krankenhaus Rating<br />

Report 2009, RWI-Materialien 51 (2009), Boris Augurzky u.a.,<br />

Krankenhaus Rating Report 2010, RWI-Materialien 59 (2011),<br />

Boris Augurzky u.a., Krankenhäuser in privater Trägerschaft,<br />

RWI-Materialien 72 (2012), Sparkassen Finanzgruppe, Branchenreport<br />

Krankenhäuser 2012, Jürgen Klauber u.a. (Hg.),<br />

Krankenhausreport 2013 (<strong>di</strong>ese vom Wissenschaftlichen Institut<br />

der AOK verantwortete Reihe erscheint jährlich). Neuer<strong>di</strong>ngs<br />

zur Politik des Marburger Bundes: Samuel Greef, Die<br />

Transformation des Marburger Bundes, Wiesbaden 2012.<br />

<strong>Info<strong>di</strong>enst</strong> Krankenhäuser <strong>Nr</strong>. <strong>60</strong> ■ März 2013<br />

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