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Infodienst Krankenhäuser Nr. 60 - Gesundheit & Soziales - Ver.di

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Tarif- und<br />

Branchenpolitik<br />

licht, ihre Krankenhäuser über<br />

einen längeren Zeitraum hindurch<br />

zu subventionieren.<br />

Faktisch wird damit aber auch das<br />

Rent-Seeking der leitenden Ärzte<br />

und der daran beteiligten nachgeordneten<br />

Ärzte finanziert, während<br />

gleichzeitig <strong>di</strong>e Servicebereiche der<br />

Kliniken ausgegründet oder <strong>di</strong>rekt<br />

privatisiert werden und der Arbeitsdruck<br />

insbesondere in der Pflege<br />

deutlich zugenommen hat.<br />

Eine solche Praxis der Subventionierung<br />

hoher Ärzteeinkommen ist<br />

gesellschaftspolitisch fragwür<strong>di</strong>g,<br />

weil eine andere <strong>Ver</strong>wendung kommunaler<br />

Steuereinnahmen als <strong>di</strong>ese<br />

dauerhafte Subvention im Rahmen<br />

anderer kommunalen Aufgaben<br />

sinnvoller ist.<br />

Der Zeitraum, in dem kommunale<br />

Krankenhäuser noch durch ihre<br />

Träger subventioniert werden, ist<br />

zudem überschaubar. Einmal stehen<br />

wir gegenwärtig am Beginn einer<br />

mehrjährigen konjunkturellen Rezession<br />

oder Stagnation, zum zweiten<br />

wird das Instrument der Schuldenbremse<br />

dazu führen, dass auch<br />

<strong>di</strong>e <strong>Ver</strong>schuldung der Kommunen in<br />

Zukunft erheblich erschwert wird,<br />

was aus makroökonomischen Gründen<br />

zu Recht kritisiert wird.<br />

Deshalb wird es in absehbarer<br />

Zukunft wieder zu einer Zunahme<br />

der Privatisierungen kommunaler<br />

Krankenhäuser kommen. Bestimmte<br />

kommunale Kliniken werden nicht<br />

3 Deshalb besteht ein großer Nachholbedarf,<br />

<strong>di</strong>e in den gewerkschaftlichen<br />

Diskussionen weitgehend unterschätzten<br />

Rent-Seeking-Strategien der leitenden<br />

Ärzte und ihre Auswirkungen auf<br />

<strong>di</strong>e Krankernhaushierarchie kritisch<br />

darzustellen. Es in der <strong>Ver</strong>gangenheit<br />

mehrfach irritiert, dass ver.<strong>di</strong> bei der<br />

Sanierung kommunaler Kliniken den<br />

TV ZuSi und Öffnungsklauseln für <strong>di</strong>e<br />

niedrigen Entgeltgruppen des TVöD akzeptiert<br />

hatte, ohne zur Vorbe<strong>di</strong>ngung<br />

zu machen, dass in <strong>di</strong>e Liquidationspraxis<br />

der leitenden Ärzte und in <strong>di</strong>e damit<br />

mehr gekauft werden, weil ihre<br />

Sanierung zu ungewiss und damit<br />

zu riskant erscheint. Es wird kommunale<br />

Kliniken geben, <strong>di</strong>e unter<br />

DRG-Be<strong>di</strong>ngungen dauerhaft defizitär<br />

bleiben und entweder stillgelegt<br />

werden oder auf einem relativ<br />

niedrigen me<strong>di</strong>zinischen Niveau in<br />

einwohnerschwachen Regionen aus<br />

Gründen der <strong>Ver</strong>sorgungssicherheit<br />

weiter bestehen bleiben.<br />

Politik und Krankenversicherung<br />

werden dazu gezwungen sein, <strong>di</strong>eses<br />

Konzept ein Stück weit durch<br />

Zuschläge im System der DRGs zu<br />

mo<strong>di</strong>fizieren und darüber <strong>di</strong>ese Kliniken<br />

weiter zu finanzieren.<br />

Eine Rückkehr zum Selbstkostendeckungsprinzip,<br />

das – in Teilen des<br />

Krankenhaussektors – auch mitverantwortlich<br />

war für <strong>di</strong>ese stationäre<br />

»<strong>Ver</strong>geudungsökonomie« und ärztliche<br />

»Selbstbe<strong>di</strong>enungsökonomie«<br />

ist völlig utopisch 3 .<br />

Diese Selbstkostenökonomie war<br />

zudem mit verantwortlich für den<br />

enormen Investitionsstau in den<br />

deutschen Krankenhäusern, weil für<br />

<strong>di</strong>e Investitionen andere zustän<strong>di</strong>g<br />

waren, so dass <strong>di</strong>e Erlöse für den<br />

laufenden <strong>Ver</strong>brauch ausgegeben<br />

wurden und auch oft zu wenige<br />

Abschreibungen getätigt wurden.<br />

Die öffentlichen Krankenhäuser<br />

sind mit <strong>di</strong>esem Selbstkostendeckungsprinzip<br />

auch grundsätzlich<br />

nicht in der Lage, auf <strong>di</strong>e demografischen<br />

Herausforderungen einer<br />

zusammenhängenden übertariflichen<br />

Zahlungen über <strong>di</strong>e »Pools« eingegriffen<br />

wird. Nach der Rechtsprechung des<br />

Bundesarbeitsgerichts sind <strong>di</strong>ese Pool-<br />

Regelungen in der Regel Fragen der betrieblichen<br />

Lohngestaltung und unterliegen<br />

daher der Mitbestimmung nach<br />

§ 87 BetrVG. Aller<strong>di</strong>ngs zeigt <strong>di</strong>e betriebliche<br />

Praxis, dass Personalräte und<br />

Betriebsräte in den Krankenhäusern es<br />

nicht wagen, in <strong>di</strong>ese einseitig von den<br />

leitenden Ärzten bzw. neuer<strong>di</strong>ngs von<br />

den Klinikleitungen <strong>di</strong>ktierten Einkommensprozesse<br />

einzugreifen.<br />

steigenden Lebenserwartung und<br />

<strong>di</strong>e gleichzeitige Entwicklung des<br />

me<strong>di</strong>zinischen Fortschritts angemessen<br />

zu reagieren.<br />

3. Die Eigentumsfrage –<br />

eine Strategie aus betrieblicher<br />

Schwäche<br />

Für <strong>di</strong>e zustän<strong>di</strong>ge Gewerkschaft<br />

ist <strong>di</strong>ese Konzentration ihrer Krankenhauspolitik<br />

auf <strong>di</strong>e Eigentumsfrage<br />

nicht nur partikular, weil sie<br />

damit <strong>di</strong>e Tarifpolitik und <strong>di</strong>e betriebliche<br />

Interessenvertretung in<br />

den privaten Krankenhäusern an<br />

den Rand zu drängen versucht,<br />

sondern auch politisch rückwärtsgewandt.<br />

ver.<strong>di</strong> vertei<strong>di</strong>gt mit einer solchen<br />

Strategie eine historisch überholte<br />

stän<strong>di</strong>sche Hierarchie in den Krankenhäusern,<br />

<strong>di</strong>e zu einer klinikinternen<br />

Einkommensverteilung geführt<br />

hat, in der <strong>di</strong>e nichtärztlichen Beschäftigten<br />

systematisch <strong>di</strong>e <strong>Ver</strong>lierer<br />

sind, wie sich das nach der<br />

Transformation des Marburger Bundes<br />

zu einer stän<strong>di</strong>schen Gewerkschaft<br />

mit einer »exklusiven Solidarität«<br />

als Handlungsprinzip nach<br />

2005 bereits gezeigt hat.<br />

Es ist eine rückwärtsgewandte<br />

Strategie der innerbetrieblichen<br />

Schwäche, <strong>di</strong>e Busch u.a. vorschlagen,<br />

weil sie faktisch <strong>di</strong>e Dominanz<br />

der leitenden Ärzte und ihrer Gefolgschaft<br />

in den öffentlichen Krankenhäusern<br />

weiter akzeptiert.<br />

Es ist irritierend, dass eine solche<br />

Politik der Schwäche und der Perspektivlosigkeit<br />

mit der Attitüde<br />

einer antikapitalistischen Tugendlehre<br />

präsentiert wird. Es ist anstelle<br />

einer Wahrnehmung der wirklichen<br />

Krankenhausökonomie eine<br />

politische Ökonomie von Gut und<br />

Böse. Sie <strong>di</strong>ent dem Schüren von<br />

Empörung und belässt <strong>di</strong>e Krankenhäuser,<br />

so wie sie sind. ■<br />

Michael Wendl<br />

<strong>Info<strong>di</strong>enst</strong> Krankenhäuser <strong>Nr</strong>. <strong>60</strong> ■ März 2013<br />

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