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Schlichten statt richten

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Bei rein innerbetrieblichen Verhandlungen<br />

gelingt dies regelmäßig nicht.<br />

Denn dort blendet der Betriebsrat immer<br />

wieder die bestehende Rechtslage<br />

aus, also den Umstand, dass die geltend<br />

gemachten Forderungen nicht spruchfähig<br />

sind. Vielmehr geriert er sich als mit<br />

dem Arbeitgeber vermeintlich gleichberechtigte<br />

„Co-Geschäftsführung“.<br />

Bei einem solchen Verhalten kann<br />

der Betriebsrat mithilfe des Einigungsstellenvorsitzenden<br />

auf den Boden der<br />

Rechtslage zurückgeholt werden. Der<br />

Arbeitgeber kann damit drohen, einen<br />

Spruch der Einigungsstelle zu beantragen.<br />

Sind Forderungen nicht spruchfähig,<br />

werden sie auch nicht Bestandteil<br />

des Spruchs der Einigungsstelle.<br />

Hierauf weist auch der Einigungsstellenvorsitzende<br />

den Betriebsrat hin.<br />

Dies führt regelmäßig dazu, dass der<br />

Betriebsrat bei weiteren Verhandlungen<br />

in der Einigungsstelle nicht mehr an seinen<br />

nicht spruchfähigen Forderungen<br />

festhält.<br />

Keine taktischen Fehler begehen<br />

Erfahrungsgemäß ist der gängigste<br />

Fehler auf Arbeitgeberseite, dass zu<br />

lange innerbetriebliche Verhandlungen<br />

geführt werden. Häufi g kommt es etwa<br />

vor, dass trotz offensichtlich völlig<br />

überzogener Betriebsratsforderungen<br />

dennoch monatelang betrieblich weiterverhandelt<br />

wird. Zudem führen Arbeitgeber<br />

die Verhandlungen zumindest als<br />

Ersatzstrategie nicht so, dass zeitnah –<br />

sollten die innerbetrieblichen Verhandlungen<br />

scheitern und keine Einigung auf<br />

den Einigungsstellenvorsitzenden und/<br />

oder die Beisitzeranzahl <strong>statt</strong>fi nden –<br />

ein arbeitsgerichtliches Verfahren zur<br />

Besetzung der Einigungsstelle effektiv<br />

betrieben werden kann.<br />

Strategie mit hohem Risiko<br />

Diese arbeitgeberseitige Fehleinschätzung<br />

hat eine Mehrzahl von Gründen.<br />

Zum einen ist es sicherlich oft die mangelnde<br />

Erfahrung im Umgang mit Einigungsstellen,<br />

zum anderen werden die<br />

So wird bei der Anrufung einer Einigungsstelle vorgegangen<br />

Kosten der Einigungsstelle gescheut.<br />

Neben erheblichem Zeitverlust birgt eine<br />

derartige Verhandlungsstrategie ein hohes<br />

Risiko: Tatsächliche Umstände (zum<br />

Beispiel das feststehende Einführungsdatum<br />

für ein EDV-System) zwingen den<br />

Arbeitgeber, zu den Konditionen des Betriebsrats<br />

eine Vereinbarung abzuschlie-<br />

TITEL<br />

KONFLIKTLÖSUNG<br />

VERFAHREN<br />

Eine Einigungsstelle kann bezüglich aller betriebsverfassungsrechtlicher Streitigkeiten<br />

eingerichtet werden. Sie besteht aus einem unparteiischen Vorsitzenden und einer bestimmten<br />

Anzahl von Beisitzern pro Betriebspartei. Die Einigungsstelle kommt zustande,<br />

wenn sich die Betriebsparteien einvernehmlich auf den Vorsitzenden und die Beisitzeranzahl<br />

einigen oder wenn das beschleunigte arbeitsgerichtliche Einigungsstellenbesetzungsverfahren<br />

nach § 98 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) erfolgreich durchlaufen wurde.<br />

Gelingt in der Einigungsstelle mithilfe des Einigungsstellenvorsitzenden keine einvernehmliche<br />

Lösung, entscheidet die Einigungsstelle durch einen sogenannten Spruch. Dem<br />

Einigungsstellenvorsitzenden fällt dann die entscheidende Stimme zu.<br />

Es ist zu unterscheiden zwischen der erzwingbaren Einigungsstelle und der freiwilligen<br />

Einigungsstelle. Die Fälle der erzwingbaren Einigungsstelle sind abschließend im<br />

Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) aufgeführt. Für die Praxis von besonderer Bedeutung<br />

sind hier<br />

● Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten (§ 87 Abs. 1 BetrVG), unter anderem<br />

der Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit samt Pausen, die Überstundenanordnung,<br />

die Einführung eines EDV-Systems oder die betriebliche Lohngestaltung<br />

● Sozialplan (§ 112 Abs. 4 BetrVG)<br />

● Versuch des Interessenausgleichs (§ 112 Abs. 2 Satz 2 BetrVG), zu beachten ist hier,<br />

dass der Arbeitgeber vor Durchführung einer Betriebsänderung (etwa Personalabbau)<br />

eine Einigung in der Einigungsstelle nur versuchen muss. Scheitert dieser Einigungsversuch<br />

in der Einigungsstelle, kann arbeitgeberseitig die Betriebsänderung einseitig<br />

ohne Abstriche so durchgeführt werden, wie der Arbeitgeber sich dies vorstellt<br />

● Auswahlrichtlinien, Personalfragebogen (§ 95 BetrVG, § 94 BetrVG)<br />

● Freistellung und Schulung von Mitgliedern des Betriebsrats (§ 38 Abs. 2 BetrVG, § 37<br />

Abs. 6 BetrVG)<br />

● Durchführung betrieblicher Bildungsmaßnahmen samt Auswahl der Teilnehmer, § 98<br />

Abs. 4 BetrVG<br />

Eine freiwillige Einigungsstelle stellt einen Ausnahmefall dar. Denn der Arbeitgeber ist<br />

regelmäßig mit der Erweiterung der Mitbestimmung des Betriebsrats über das im BetrVG<br />

angeordnete Maß nicht einverstanden. Denkbar ist eine freiwillige Einigungsstelle mit<br />

Einvernehmen von beiden Betriebsparteien beispielsweise bei<br />

● Beschäftigungssicherung (§ 92 a BetrVG),<br />

● Zustimmung des Betriebsrats bei Kündigungen (§ 102 Abs. 6 BetrVG),<br />

● Personelle Einzelmaßnahmen (§ 99 BetrVG)<br />

ßen, da keine Zeit mehr für die Anrufung<br />

einer Einigungsstelle verbleibt.<br />

Anlass für eine Einigungsstelle<br />

Um ein derartiges Szenario zu vermeiden,<br />

sollte der Arbeitgeber den Weg der<br />

Einigungsstelle beschreiten, wenn sich<br />

insbesondere folgende Punkte in den<br />

02 / 11 personalmagazin<br />

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