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Schlichten statt richten

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62<br />

URLRAUBSRECHT<br />

personalmagazin 02 / 11<br />

Bei Fragen wenden Sie sich bitte an thomas.muschiol@personalmagazin.de<br />

Moderne Zeiten – altes Urlaubsrecht<br />

ÜBERBLICK. Neue Arbeitsformen und die europäische Rechtsprechung machen<br />

den Umgang mit dem Bundesurlaubsgesetz zunehmend schwierig.<br />

Von Thomas Muschiol (Red.)<br />

Wir schreiben das Jahr 1963,<br />

in dem das Bundesurlaubsgesetz<br />

in Kraft getreten ist.<br />

Im Gegensatz zu anderen<br />

arbeitsrechtlichen Schutzgesetzen aus<br />

den 60er-Jahren, hat dieses Gesetz Jahrzehnte<br />

überstanden, ohne dass es zu<br />

größeren Reformen, geschweige denn<br />

zu einer Neufassung gekommen ist. Ein<br />

erstaunliches Phänomen, wenn man sich<br />

vorstellt, auf welchen arbeitsvertraglichen<br />

Rahmenbedingungen das Bundesurlaubsgesetz<br />

(BUrlG) seinerzeit aufsetzte<br />

und dies mit der derzeitigen modernen<br />

Beschäftigungswelt vergleicht. So waren<br />

1963 noch Beschäftigungsverhältnisse<br />

an sechs Wochentagen die Regel. Teilzeitbeschäftigungen<br />

waren nur eine unwesentliche<br />

Randerscheinung und Begriffe<br />

wie „Job-Sharing“ wären bestenfalls als<br />

Begriffe aus der Science-Fiction-Literatur<br />

durchgegangen. Umso verwunderlicher<br />

ist es, dass das Gesetz zügig auf die 50<br />

zugeht und es immer noch gelingt, die<br />

modernen Arbeitsformen mit dem alten<br />

Urlaubsrecht zu lösen. Wie aber hat es<br />

die Rechtsprechung im Einzelnen bewerkstelligt,<br />

die „modernen Zeiten“ an<br />

ein historisches Gesetz anzupassen?<br />

Das Problem der Sechstagewoche<br />

„Der Urlaub beträgt jährlich mindestens<br />

24 Werktage“, so nach wie vor der<br />

Wortlaut des § 3 Abs. 1 BUrlG. Insoweit<br />

geht das Gesetz immer noch von einer<br />

Sechstagewoche mit den Arbeitstagen<br />

von Montag bis Samstag aus. Für den Regelfall<br />

einer Fünftagewoche hat sich die<br />

Download<br />

Ein Muster für eine vertragliche<br />

Urlaubsklausel, bei der zwischen<br />

Mindest- und Zusatzurlaub<br />

unterschieden wird, fi nden Sie auf<br />

unserem Online-Portal.<br />

www.personalmagazin.de<br />

Rechtsprechung frühzeitig eine Lösung<br />

erdacht, die da heißt: „Der Arbeitnehmer<br />

soll nach dem Willen des Gesetzgebers einen<br />

jährlichen Urlaubsanspruch von vier<br />

Wochen haben, sodass bei einer Fünftagewoche<br />

der Mindesturlaubsanspruch<br />

entgegen dem Wortlaut des § 3 auf 20<br />

Arbeitstage festzulegen ist.“<br />

Umrechnung bei unregelmäßiger<br />

Verteilung von Arbeitstagen<br />

In den 90er-Jahren musste sich die<br />

Rechtsprechung zunehmend mit Urlaubsansprüchen<br />

bei unregelmäßiger<br />

Verteilung von Arbeitstagen beschäftigen.<br />

Entstanden ist eine Umrechnungsmethode,<br />

bei der die unterschiedliche<br />

Anzahl der Tage mit Arbeitspfl icht<br />

pro Kalenderwoche mit der Anzahl<br />

der Urlaubstage zueinander ins Verhältnis<br />

gesetzt werden. Diese Umrechnungsmethode<br />

wurde bei nach § 12<br />

Teilzeit- und Befristungsgestz (TzBfG)<br />

möglichen kapazitätsorientierten variablen<br />

Arbeitszeitvereinbarungen unter<br />

eine weitere Bewährungsprobe gestellt.<br />

Hier wäre der Urlaubsanspruch eigentlich<br />

erst am Jahresende ermittelbar, da<br />

erst dann die tatsächlichen Arbeitstage<br />

als Umrechnungsfaktor zur Verfügung<br />

stehen. An dieser Stelle zeigt sich zum<br />

ersten Mal deutlich, dass das Bundesurlaubsgesetz<br />

Grenzen der Auslegung<br />

erreicht hat. Dazu Arbeitsrechtler Dr.<br />

Peter H. M. Rambach: „Allerdings stellt<br />

sich bei der Arbeit auf Abruf neben dem<br />

Problem der Berechnung des Umfangs<br />

des Urlaubsanspruchs das Problem von<br />

dessen Erfüllung. Der Urlaubsanspruch<br />

kann nur erfüllt werden, wenn der Arbeitnehmer<br />

an den bestimmten Tagen<br />

auch hätte arbeiten müssen, das heißt,<br />

vom Arbeitgeber gerufen worden wäre.“<br />

Die richtige Lösung wäre nach Rambach<br />

in der Theorie folgende: „Der Arbeitnehmer<br />

muss dem Arbeitgeber also seine<br />

Urlaubswünsche mitteilen, worauf der<br />

Arbeitgeber erklären muss, dass er den<br />

Arbeitnehmer an den genannten Tagen<br />

auch zur Arbeit abgerufen hätte. Wäre<br />

dies nicht der Fall, tritt keine Erfüllung<br />

des Urlaubsanspruchs ein, an Tagen<br />

ohne Arbeitspfl icht, muss nämlich kein<br />

Urlaub genommen werden.“<br />

Übertragbarkeit und Verfall des Urlaubs<br />

„Der Urlaub muss im laufenden Kalenderjahr<br />

gewährt und genommen werden.“<br />

Dieser Grundsatz aus § 7 Abs. 3<br />

BUrlG ist eigentlich eindeutig. Bis auf<br />

die gesetzliche Ausnahme der Übertragung<br />

bis zum 31. März des Folgejahres,<br />

die ihrerseits wieder an ganz bestimmte<br />

Gründe gebunden ist, gehört es eigentlich<br />

zur unumstößlichen Dogmatik des<br />

Urlaubsrechts, dass ein Horten von Urlaub<br />

nicht möglich ist. Über Jahrzehnte<br />

hinweg hat das BAG auch jedem Versuch

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