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Schlichten statt richten

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58 RECHTSPRECHUNG<br />

personalmagazin 02 / 11<br />

Bei Fragen wenden Sie sich bitte an thomas.muschiol@personalmagazin.de<br />

Urteile aus Erfurt im Jahresrückblick<br />

ÜBERSICHT. Ohne Richterspruch geht nichts im Arbeitsrecht. Auch 2010 hat das<br />

BAG wichtige Meilensteine für die betriebliche Praxis gesetzt.<br />

Von Thomas Muschiol (Red.)<br />

Der Blick auf die Erfurter Rechtsprechung<br />

2010 zeigt wieder<br />

einmal die hohe Bedeutung<br />

der Rechtsprechung für die<br />

arbeitsrechtliche Praxis. Aus der Analyse<br />

der Rechtsprechungsänderungen im<br />

Jahr 2010 ergibt sich aber auch: Kein<br />

anderes Rechtsgebiet ist mit einem derartigen<br />

Risikofaktor ausge<strong>statt</strong>et, nämlich<br />

der Gefahr, das jahrzehntelanges<br />

unbeanstandetes Handeln durch einen<br />

Richterspruch plötzlich verbotswidrig<br />

wird.<br />

Bezugnahmeklauseln auf Tarifverträge<br />

Welchen „Urknall“ die Schuldrechtsreform<br />

aus dem Jahr 2002 ausgelöst hat,<br />

zeigt eine Entscheidung des 4. Senats<br />

zur individualrechtlichen Bezugnahme<br />

auf Tarifverträge. Hier besteht offensichtlich<br />

auch noch acht Jahre nach der<br />

Gesetzesreform Klärungsbedarf.<br />

Die Bundesrichter haben erneut bestätigt,<br />

dass Verweisklauseln auf Tarifverträge<br />

in Zweifelsfällen als sogenannte<br />

dynamische Bezugnahmen aufzufassen<br />

sind. Die Folge einer derartigen Auslegung,<br />

welche vor der Schuldrechtsreform<br />

von den Ge<strong>richten</strong> noch genau gegenteilig,<br />

nämlich als sogenannte „Gleichstellungsabrede“<br />

ausgefallen war, ist:<br />

Auch nach einem Verbandsaustritt ist<br />

der Arbeitgeber verpfl ichtet, tarifl iche<br />

Lohn erhöhungen weiterzugeben. Besonders<br />

heikel ist dies in Fällen, wie dem<br />

vom 4. Senat entschiedenen. Hier wurde<br />

der Arbeitgeber eines Erwerberbetriebs,<br />

der die Bezugnahme selbst nicht<br />

formuliert hatte und in dessen Betrieb<br />

von Tarifverträgen nie die Rede gewesen<br />

war, nach einem Betriebserwerb an die<br />

dynamische Klausel seines Vorgängers<br />

gebunden. Urteil vom 24.2.2010, 4 AZR 691/08<br />

Vorlagenrekord<br />

Können Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts<br />

<strong>statt</strong> Rechtssicherheit auszulösen,<br />

auch das Gegenteil bewirken?<br />

Die Antwort heißt ja und sie trifft immer<br />

dann zu, wenn sich die Bundesrichter<br />

zwar eine Meinung gebildet haben, aber<br />

befürchten, dass diese möglicherweise<br />

mit europäischem Recht kollidiert. In diesen<br />

Fällen besteht eine Pfl icht, den Europäischen<br />

Gerichtshof zur Klärung der<br />

Zweifelsfrage anzurufen. Derartige Zweifel,<br />

mit der Folge, dass eine Rechtsfrage<br />

dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt<br />

wird, sind im Rechtsprechungsjahr 2010<br />

sooft wie nie zuvor aufgetreten.<br />

Alarmstufe rot für Arbeitgeber<br />

bei EuGH-Vorlagebeschlüssen<br />

Für die Betriebe heißt es bei einem solchen<br />

Vorlagebeschluss: Alarmstufe rot bei<br />

arbeitsrechtlichen Gestaltungen. Spätestens<br />

nach Veröffentlichung eines Vorlagebeschlusses<br />

können Arbeitgeber nicht<br />

mehr auf eine bestehende Rechtslage<br />

oder eine gefestigte Rechtsprechung vertrauen.<br />

Resultierend aus den Vorlagebeschlüssen<br />

2010, sind demnach folgende<br />

Sachverhalte bis zu einer Entscheidung<br />

des EuGH mit Vorsicht zu genießen.<br />

Risiko 1: Bewerbungsverfahren<br />

Möglicherweise werden in Zukunft abgelehnte<br />

Bewerber einen Anspruch auf<br />

Die Bedeutung des europäischen Rechts wird Jahr für Jahr größer. Das war auch 2010 zu spüren.<br />

© PLATSLEE / SHUTTERSTOCK

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