Schlichten statt richten
Schlichten statt richten
Schlichten statt richten
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
TITEL<br />
24 KONFLIKTLÖSUNG<br />
innerbetrieblichen Verhandlungen mit<br />
dem Betriebsrat offenbaren.<br />
● Der Betriebsrat stellt nicht spruchfähige<br />
Forderungen auf. Beispielsweise<br />
verlangt das Gremium den Ausschluss<br />
von betriebsbedingten Kündigungen<br />
im Zusammenhang mit Verhandlungen<br />
um einen Interessenausgleich<br />
anlässlich einer grundlegenden Organisationsänderung.<br />
● Der Betriebsrat stellt offensichtlich<br />
völlig überzogene und /oder sachfremde<br />
Forderungen auf.<br />
● Der Betriebsrat spielt auf Zeit, insbesondere<br />
indem das Gremium innerbetriebliche<br />
Verhandlungstermine nicht<br />
zur Verfügung stellt.<br />
In diesem Zusammenhang ist zu beachten,<br />
dass sowohl dem Betriebsrat als<br />
auch dem Arbeitgeber die Entscheidung<br />
freisteht, das Scheitern der innerbetrieblichen<br />
Verhandlungen anzunehmen. Es<br />
kann dann die Bildung einer Einigungsstelle<br />
betrieben werden, wenn ernsthafte<br />
Verhandlungen <strong>statt</strong>gefunden haben und<br />
– insbesondere auch im Hinblick auf<br />
zeitliche Faktoren – die Annahme eines<br />
Scheiterns der Verhandlungen nicht ohne<br />
jeglichen Anlass erfolgt. Diese Voraussetzungen<br />
dürften regelmäßig nach zwei<br />
bis drei intensiven, gut vorbereiteten<br />
Verhandlungsterminen und gleichzeitig<br />
umfassender schriftlicher Unterrichtung<br />
des Betriebsrats (möglichst mit Übergabe<br />
eines arbeitgeberseitigen Betriebsvereinbarungsentwurfs)<br />
gegeben sein.<br />
Ständige Einigungsstelle ein<strong>richten</strong><br />
Ein geschicktes Gestaltungsmittel kann<br />
die sogenannte ständige Einigungsstelle<br />
sein, wie das Beispiel „Überstunden“<br />
zeigt: Der Arbeitgeber hat vor der Anordnung<br />
von Überstunden zwingend die<br />
Zustimmung des Betriebsrats nach § 87<br />
BetrVG einzuholen. Allerdings fallen<br />
Überstunden häufi g sehr kurzfristig an<br />
oder werden kurzfristig vom Arbeitgeber<br />
angeordnet. Verweigert der Betriebsrat<br />
nun die Zustimmung, kann mangels Zeit<br />
eine noch einzu<strong>richten</strong>de Einigungsstelle<br />
regelmäßig nicht rechtzeitig ange-<br />
personalmagazin 02 / 11<br />
rufen werden und entscheiden. Daher<br />
verlangen Betriebsräte in der Praxis für<br />
die Zustimmung häufi g ein Kopplungsgeschäft,<br />
also arbeitgeberseitiges Entgegenkommen<br />
an anderer Stelle.<br />
Erpressbarkeit vermeiden<br />
Um eine diesbezügliche arbeitgeberseitige<br />
Erpressbarkeit zu vermeiden, ist es<br />
ratsam, sich hier des Instruments der<br />
ständigen Einigungsstelle zu bedienen.<br />
Ständige Einigungsstelle bedeutet, dass<br />
sich die Betriebsparteien bereits für<br />
künftige Streitfälle hinsichtlich eines<br />
Regelungsgegenstands (hier Überstunden)<br />
auf einen Einigungsstellenvorsitzenden<br />
– und ein oder zwei Vertreter im<br />
Fall der Verhinderung – samt Beisitzern<br />
einigen. Diese ständige Einigungsstelle<br />
kann dann ganz kurzfristig zusammentreten<br />
und entscheiden.<br />
„Worst Case“ mitregeln<br />
Ein anderer kreativer Einsatz der Einigungsstelle<br />
ist im Zusammenhang mit<br />
der Durchführung von Freiwilligenprogrammen<br />
zur Bewerkstelligung eines<br />
Personalabbaus möglich. Der Arbeitgeber<br />
kann viel Zeit und damit Kosten<br />
sparen, insbesondere dadurch, dass er<br />
mögliche Kündigungen zeitlich früher<br />
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an michael.miller@personalmagazin.de<br />
Das Verfahren der Einigungsstelle erfolgreich vorbereiten<br />
TIPP<br />
● Den richtigen Einigungsstellenvorsitzenden auswählen und dessen zeitliche Verfügbarkeit<br />
vorher sicherstellen. Der Einigungsstellenvorsitzende spielt eine zentrale Rolle.<br />
Dessen Auswahl darf nicht dem Zufall überlassen werden, sondern Arbeitgeber sollten<br />
sich diesbezüglich von mit Einigungsstellen erfahrenen Personen beraten lassen.<br />
● Einigungsstellenvorsitzenden umfassend schriftlich informieren.<br />
● Verhandlungsteam zusammensetzen und etwaige Rollenverteilung festlegen.<br />
● Verhandlungsstrategien (vor allem auch hinsichtlich möglicher Verhandlungsspielräume)<br />
festlegen. Gegebenenfalls einen (weiteren) vermittelnden Betriebsvereinbarungsentwurf<br />
des Arbeitgebers ausarbeiten.<br />
● Erforderliche Technik (Laptop, Beamer, Drucker) und erforderliche Räume (zwei<br />
Räume, damit die Parteien auch separat tagen können) zur Verfügung stellen.<br />
● Etwaige weitere Verhandlungstermine gleich zu Beginn der Einigungsstelle festzurren.<br />
aussprechen kann. Aus Arbeitgebersicht<br />
ist es sinnvoll, gleich den „worst case“<br />
mitzuregeln, falls die nach dem Freiwilligenprogramm<br />
abzubauenden Mitarbeiterkapazitäten<br />
nicht erreicht werden. So<br />
sollte in der Betriebsvereinbarung „Freiwilligenprogramm“<br />
hinsichtlich des etwaigen<br />
weiteren Personalabbaus bereits<br />
geregelt werden, wie lange innerbetriebliche<br />
Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen<br />
maximal dauern<br />
(zum Beispiel vier oder sechs Wochen)<br />
und zugleich, wie eine möglicherweise<br />
nötige Einigungsstelle (Vorsitzender und<br />
Beisitzeranzahl) besetzt sein wird.<br />
All dies zeigt, dass es sich lohnt, die<br />
arbeitgeberseitig oftmals vorhandenen<br />
Vorbehalte gegenüber dem Instrument<br />
der Einigungsstelle abzulegen.<br />
Dr. Wolfgang Lipinski<br />
Fachanwalt für Arbeitsrecht<br />
und Partner, Beiten<br />
Burkhardt, München<br />
Dr. Benjamin Kumm<br />
Fachanwalt für Arbeitsrecht,<br />
Beiten Burkhardt,<br />
München